Geistliche Werke Teil II.
Track 24: Anonymus – Antiphon zur ersten Vesper der Geburt des Herrn (Reprise)
„Tecum principium“ – Wiederholung nach dem Magnificat
Diese Antiphon ist die Reprise der festlichen Antiphon „Tecum principium“, die in der ersten Vesper zum Hochfest der Geburt Christi (25. Dezember) gesungen wird (vgl. Track 17). In der Vesper wird diese Antiphon vor und nach dem Magnificat wiederholt – sie rahmt den marianischen Lobgesang musikalisch und inhaltlich ein. Diese Wiederholung bringt die Kernaussage noch einmal eindringlich zur Geltung: Die Herrschaft Christi ist von Ewigkeit her, im Glanz der Heiligen, gezeugt vor dem Morgenstern.
Die anonyme Vertonung ist stilistisch klar und feierlich. Die Musik bleibt schlicht, mehrstimmig, aber nicht überladen. Der Fokus liegt auf dem meditativen Charakter und dem ehrfürchtigen Ausdruck des Textes – ideal geeignet für die ruhige, andächtige Atmosphäre der Christvesper.
Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:
"Dir gehört die Herrschaft am Tage deiner Macht,
im Glanz der Heiligen:
aus dem Schoß, vor dem Morgenstern, habe ich dich gezeugt."
Die Wiederholung der Antiphon nach dem Magnificat ist nicht bloße Formalität, sondern hat liturgisch-symbolische Bedeutung: Sie betont den ewigen Ursprung des göttlichen Königtums, das in der Geburt Christi offenbar wird. In dieser musikalischen Reprise findet die Vesper ihren würdevollen Abschluss – still, lichtvoll, festlich.
Track 25: Anonymus – Antiphon zur Vesper am Samstag vor Palmsonntag
„Jerusalem, surge“
Diese Antiphon gehört zur liturgischen Vesper des Samstags vor Palmsonntag, also unmittelbar vor dem Beginn der Karwoche. Der Text ist dem Buch Baruch (5,5) entnommen und wird als prophetischer Ruf verstanden: Jerusalem, die Stadt Gottes – und im weiteren Sinn das Volk Gottes oder die Kirche selbst – wird aufgerufen, sich zu erheben, die Höhe zu suchen und das kommende Heil zu schauen.
Die Vertonung stammt von einem anonymen Komponisten. Sie ist musikalisch schlicht gehalten, mehrstimmig, aber ohne überladene Polyphonie. Der Ton ist getragen, zurückhaltend und kontemplativ – eine musikalische Vorbereitung auf das kommende Leiden Christi, nicht in dramatischer Form, sondern in stiller Erwartung.
Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:
"Jerusalem, steh auf
und tritt hervor in die Höhe,
und sieh die Freude, die dir von deinem Gott kommt."
Die Musik dieser Antiphon verzichtet bewusst auf große Effekte – sie ist wie ein stiller Ruf an das Herz des Hörers. Sie lädt ein zur Sammlung, zum Aufblick – und zur inneren Bereitschaft, den Weg durch die Passion hin zur Auferstehung mitzugehen. Als Einleitung zur letzten Vesper vor dem Palmsonntag ist sie sowohl klanglich als auch spirituell von großer Wirkung.
Track 26: Magnificat IV (Quarti Toni)
Erster Vers: „Magnificat anima mea Dominum“
Mit diesem Track beginnt Nicolas Gomberts vierte Vertonung des Magnificat, komponiert im vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch). Dieser Modus hat einen verinnerlichten, ruhigen Charakter, der sich besonders gut für den Ausdruck marianischer Demut und spiritueller Sammlung eignet.
Der erste Vers – „Magnificat anima mea Dominum“ („Meine Seele preist den Herrn“) – wird hier von Gombert polyphon gestaltet. Die Musik eröffnet das Werk mit einer feierlich-gelassenen Atmosphäre: Die Stimmen setzen nacheinander ein, greifen das Thema imitierend auf und schaffen einen Klangraum, der ruhig strömt, ohne statisch zu sein. Es ist eine Musik des stillen Lobes, nicht des äußeren Triumphs.
Deutsche Übersetzung:
"Meine Seele preist die Größe des Herrn."
Gomberts Vertonung legt diesen ersten Vers als inneren Auftakt an. Es ist kein lauter Jubel, sondern ein feines, kontemplatives Erheben der Seele. Der hypophrygische Modus verleiht der Musik dabei eine milde Tiefe, die sich nicht in emotionalen Extremen verliert, sondern eine stille, aber eindrucksvolle Eröffnung des gesamten Werkes bildet.
Track 27: Magnificat IV (Quarti Toni)
Zweiter Vers: „Quia respexit humilitatem ancillae suae“
In diesem Track setzt Nicolas Gombert (ca. 1495–1560) sein Magnificat IV im vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch) mit dem zweiten Vers fort. Dieser Vers ist einer der zentralen Aussagen des Magnificat: Maria spricht von der Niedrigkeit ihrer selbst – und zugleich von der Größe Gottes, der sie erwählt hat. In Gomberts Vertonung verschmelzen Demut und Erhöhung zu einem einzigen musikalischen Ausdruck.
Der hypophrygische Modus verleiht der Komposition eine besondere Würde und Zurückhaltung. Die Polyphonie ist eng geführt, aber nicht überladen, die Stimmen scheinen sich gegenseitig zu stützen und zu umarmen. Es entsteht eine Musik der stillen Dankbarkeit und der staunenden Anerkennung göttlicher Gnade.
Deutsche Übersetzung:
"Denn er hat auf die Niedrigkeit seiner Magd geschaut;
siehe, von nun an werden mich alle Geschlechter selig preisen."
Gomberts Vertonung ist hier wie ein leises inneres Licht: keine klangliche Selbstdarstellung, sondern ein musikalisches Sich-Verneigen vor der Demut Marias – und vor dem Wunder, das sich in ihr erfüllt hat. Die Musik atmet tiefe Ehrfurcht, ohne in starre Feierlichkeit zu verfallen.
Track 28: Magnificat IV (Quarti Toni)
Dritter Vers: „Et misericordia eius a progenie in progenies“
In diesem Abschnitt seines vierten Magnificat greift Nicolas Gombert den Gedanken der kontinuierlichen göttlichen Barmherzigkeit auf. Der Text spricht davon, dass Gottes Erbarmen sich durch alle Generationen zieht – eine Aussage voller Trost und Zuversicht. Der vierte Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch) verleiht dieser Passage eine milde Ernsthaftigkeit, wie geschaffen für das Thema der göttlichen Treue.
Musikalisch arbeitet Gombert mit einer ausgewogenen, klaren Polyphonie: Die Stimmen entfalten sich in ruhigen Wellen, fast meditativ. Die Imitationen sind weniger dicht als in anderen Magnificat-Vertonungen, was der Aussage Weite und Würde verleiht. Die Musik scheint sich über die Zeit hinweg zu dehnen – ein klanglicher Ausdruck des Gedankens: von Generation zu Generation.
Deutsche Übersetzung:
"Und sein Erbarmen gilt von Generation zu Generation
allen, die ihn fürchten."
Gomberts Satz vermittelt eine Art musikalische Verlässlichkeit – nichts drängt, nichts eilt. Die Musik scheint aus dem Innersten der Kirche zu kommen: ruhig, getragen, gewiss. So wird dieser kurze Vers zu einem Höhepunkt stiller Glaubensgewissheit – unaufdringlich, aber tief berührend.
Track 29: Magnificat IV (Quarti Toni)
Vierter Vers: „Deposuit potentes de sede, et exaltavit humiles“
Dieser Vers gehört zu den markantesten Passagen des Magnificat: Maria beschreibt, wie Gott die Mächtigen vom Thron stürzt und die Demütigen erhöht. Es ist eine Aussage über die radikale Umkehrung weltlicher Machtverhältnisse – ein göttlicher Akt der Gerechtigkeit. In seiner Vertonung im vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch) findet Nicolas Gombert eine feine Balance zwischen Kraft und innerer Ruhe.
Gombert behandelt diesen Gegensatz nicht dramatisch, sondern mit einer ruhig fließenden, aber wirkungsvoll abgestuften Polyphonie. Die musikalischen Linien sinken spürbar ab beim „Deposuit potentes de sede“ und steigen auf bei „et exaltavit humiles“. Dennoch bleibt alles im Rahmen liturgischer Würde – das Geschehen wird betrachtet, nicht theatralisch dargestellt.
Deutsche Übersetzung:
"Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt
und die Niedrigen erhöht."
Die Musik vermittelt hier keine Revolte, sondern die stille Kraft des göttlichen Handelns. Gomberts Tonsatz ist ein musikalisches Gleichnis: Die Ordnung der Welt wird in der Stille des Glaubens aufgerichtet. Der hypophrygische Modus unterstützt das mit seinem zurückhaltenden Ernst – die Musik ist fest, aber nicht hart, klar, aber nicht aufdringlich.
Track 30: Magnificat IV (Quarti Toni)
Fünfter Vers: „Suscepit Israel puerum suum, recordatus misericordiae suae“
Im fünften Vers seines Magnificat IV richtet Nicolas Gombert den Blick auf die treue Zuwendung Gottes zu seinem Volk Israel. Der Text ist von tiefer Dankbarkeit getragen: Gott hat sich seines Volkes erinnert – nicht aus Pflicht, sondern aus Barmherzigkeit. Diese innere Bewegung bringt Gombert in einer mild leuchtenden Polyphonie zum Ausdruck, eingebettet in den vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch), der sich durch seine ruhige, nachdenkliche Klangfarbe auszeichnet.
Die Stimmen bewegen sich behutsam, wie von innen her gelenkt. Keine Eile, keine scharfen Kontraste – sondern eine klangliche Geborgenheit, die den Gedanken des Erinnerns und Sich-Annehmens musikalisch nachzeichnet. Die Imitationen sind fein verwoben, aber nicht kompliziert – sie tragen die Bedeutung, ohne sie zu überdecken.
Deutsche Übersetzung:
"Er hat sich seines Dieners Israel angenommen
und an sein Erbarmen gedacht".
Dieser Satz ist das geistige Herzstück des Lobgesangs – und Gomberts Musik macht daraus ein Gebet in Tönen. Sie vermittelt nicht Aufbruch oder Bewegung, sondern Stille, Treue und innere Wärme – ein musikalischer Ausdruck des göttlichen Erinnerns, das zugleich heilend und hoffnungsvoll ist.
Track 31: Magnificat IV (Quarti Toni)
Sechster Vers: „Gloria Patri, et Filio, et Spiritui Sancto“
Mit diesem Track findet Nicolas Gomberts viertes Magnificat seinen feierlichen Abschluss. Die kleine Doxologie, das Gloria Patri, ist fester Bestandteil jeder Magnificat-Vertonung und bringt den marianischen Lobgesang in die Gegenwart der Dreifaltigkeit. Im vierten Kirchenton (quarti toni / hypophrygisch) entfaltet Gombert diesen Schluss in einer ruhigen, ausgewogenen Polyphonie, die ganz auf den geistlichen Charakter des Textes ausgerichtet ist.
Die Musik wirkt still und gesammelt, zugleich aber licht und würdevoll. Die Stimmen steigen auf in einem Klangbild, das nicht nach außen drängt, sondern sich nach innen vollendet. Die Imitation ist klar, aber nicht überladen – die Struktur bleibt durchsichtig, wie ein bewusstes Atemholen am Ende eines geistlichen Weges.
Deutsche Übersetzung:
"Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist,
wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit. Amen."
Diese Vertonung des Gloria Patri ist keine klangliche Explosion, sondern ein sanftes, ehrfürchtiges Verlöschen – wie das Verhallen eines Gebets in einem stillen Kirchenraum. Es ist ein würdiger, kontemplativer Schluss eines Magnificat, das von tiefer innerer Haltung geprägt ist.
Track 32: Anonymus – Antiphon zur Vesper am Samstag vor Palmsonntag
„Jerusalem, surge“ – Wiederholung nach dem Magnificat
Diese Antiphon ist die Wiederaufnahme der eindrucksvollen Vesper-Antiphon „Jerusalem, surge“, die bereits zuvor in der Liturgie gesungen wurde (vgl. Track 25). In der Vesper des Samstags vor Palmsonntag wird sie traditionell nach dem Magnificat erneut angestimmt. Diese liturgische Wiederholung hat eine symbolische Funktion: Sie verstärkt den prophetischen Ruf und rahmt den Lobgesang Marias klanglich und geistlich ein.
Die Vertonung stammt von einem anonymen Komponisten und ist musikalisch schlicht, aber wirkungsvoll. Die Musik bewegt sich in ruhiger Mehrstimmigkeit, ohne Dramatik – getragen von einem inneren Ernst und einer würdigen Erwartung. Sie vermittelt eine Haltung der Sammlung, wie sie dem Übergang in die Karwoche angemessen ist.
Deutsche Übersetzung des lateinischen Textes:
"Jerusalem, steh auf
und tritt hervor in die Höhe,
und sieh die Freude, die dir von deinem Gott kommt."
Diese Reprise betont nochmals den spirituellen Aufbruch: Das leidende Jerusalem, Sinnbild der Menschheit, soll sich erheben – nicht aus eigener Kraft, sondern im Licht der bevorstehenden Erlösung. Die Musik verweilt in diesem Gedanken, ruhig und schlicht, aber mit innerer Spannung.
