Musae Jovis
Die Motette" Musae Jovis" ist ein kunstvoll gestaltetes Lamento auf den Tod von Josquin Desprez (um 1440–1521), dessen musikalisches Erbe die gesamte nachfolgende Generation franko-flämischer Komponisten maßgeblich prägte. Gombert, möglicherweise selbst noch Schüler des großen Meisters, ehrt in diesem Werk nicht nur das Andenken Josquins, sondern beweist zugleich seine eigene Meisterschaft in der kontrapunktischen Gestaltung und Ausdruckstiefe.
Die Komposition ist reich an Anspielungen auf die antike Mythologie: Die Musen, Töchter des Jupiter (Jovis), werden zur Klage gerufen, ihre Stimmen versiegen im Angesicht des Verlustes. Die Textwahl verweist damit auf eine humanistisch geprägte Trauerkultur, wie sie für die Renaissance typisch ist.
In der Einspielung durch The King’s Singers wird die Motette einen Ganzton über der notierten Originaltonart aufgeführt, was der Transparenz des Klangbilds zugutekommt, aber zugleich die Stimmführung leicht verändert wirken lässt.
Ein besonders eindrucksvolles Moment bietet sich gegen Ende der Aufnahme bei etwa 4:28 Minuten: Die Musik erfährt hier eine spürbare Beschleunigung, die der klanglichen Steigerung und der affektiven Intensivierung dient – ein interpretatorischer Kunstgriff, der das emotionale Gewicht der Klage noch einmal unterstreicht.
Lateinischer Text:
"Musae Jovis ter maximi
Proles, canora plangite,
Comas cypressus comprimat:
Josquinus ille occidit,
Templorum decus
Et vestrum decus.
Saevera mors et improba,
Quae templa dulcibus sonis privat,
et aulas principum,
Malum tibi quod imprecer
Tollenti bonos,
Parcenti malis.
Apollo sed neccem tibi
Minatur, heus mors pessima
Musas hortatur addere
Et laurum comis
Et aurum comis.
Josquinus inquit optimo
Et maximo gratus Jovi,
Triumphat inter caelites
Et dulce carmen concinit,
Templorum decus,
Musarum decus.
Cantus firmus:
Circumdederunt me gemitus mortis
Dolores inferni circumdederunt me."
Deutsche Übersetzung:
"Ihr Musen, Töchter des dreimal höchsten Jupiter,
klagt laut mit wohlklingender Stimme!
Die Zypresse bändige euer Haar –
Josquin, der (berühmte), ist gestorben,
die Zierde der Tempel
und eures eigenen Ruhms.
O Tod, grausam und ruchlos,
der du die Tempel um ihren süßen Klang bringst
und die Höfe der Fürsten verstummen lässt –
welches Übel soll ich dir wünschen,
da du die Guten raubst
und die Schlechten verschonst?
Doch Apoll selbst
droht dir, o abscheulicher Tod, mit dem Tod!
Er mahnt die Musen, deinem Haupt
Lorbeer beizulegen
und Gold in dein Haar zu flechten.
Josquin, so sagt man,
ist dem besten und höchsten Jupiter willkommen –
er triumphiert nun unter den Himmlischen
und stimmt ein süßes Lied an,
Zierde der Tempel,
Zierde der Musen!
Cantus firmus:
„Mich umgaben die Seufzer des Todes,
die Schmerzen der Unterwelt umringten mich.“
