Giovanni Battista Pergolesi (1710 – 1736)
Giovanni Battista Pergolesi (* 4. Januar 1710 – † 16. März 1736) hieß ursprünglich Giovanni Battista Draghi – „Pergolesi“ war der Herkunftsname der Familie „aus Pergola“ (in der heutigen Provinz Pesaro und Urbino in den Marken), die später in Jesi (in der Provinz Ancona am Fluss Esino) heimisch wurde. Der Beiname setzte sich allmählich als eigentlicher Familienname durch, was schon Zeitgenossen so wahrnahmen. Damit erklärt sich auch die bis heute irritierende Namensgleichheit mit dem älteren Londoner Hoforganisten Giovanni Battista Draghi († 1708), mit dem er selbstverständlich nicht verwandt war.
Seine musikalische Grundausbildung erhielt er in Jesi, bevor er als Jugendlicher nach Neapel ging – an jenes raue, vibrierende „Labor“ der neapolitanischen Opern- und Kirchenmusik, das in den 1720er Jahren vier große Konservatorien zählte. In den Dokumenten der Fondazione Pergolesi Spontini wird der Weg ans Conservatorio dei Poveri di Gesù Cristo belegt; als Lehrer sind dort Gaetano Greco (um 1657–1728) und – wichtiger als oft erzählt – der feinsinnige Opernkomponist Francesco Feo (1691–1761) greifbar; den Violinunterricht übernahm Domenico de Matteis (1660–1730). Dass die Literatur teils auch Francesco Durante (1684–1755) nennt, verweist eher auf die enge Durchlässigkeit zwischen den Häusern als auf eine schlichte Entweder-oder-Zuordnung – Neapel war ein Netzwerk, kein Schubladensystem. 1729 erscheint Pergolesi in einer internen Funktion mit klingendem Titel: „capo paranza“, also Konzertmeister der Schülerkapelle – ein Indiz dafür, wie selbstverständlich er zwischen Kirchenchor, Opernprobensaal und Violinpult pendelte.
Sein erster hörbarer „Auftritt“ vor der Öffentlichkeit hatte noch nichts mit Buffo zu tun: 1731 dirigierte man ihn mit geistlichen Großformen in den Vordergrund – einem Dramma sacro über den heiligen Wilhelm von Aquitanien († 28. Mai 812 ) und einem Oratorium über den Tod Josefs –, also in jener Gattung, in der die neapolitanische Schule die Kunst des Affekts, der Suspension und der „durezze e ligature“ bis an die Schmerzgrenze kultivierte. Im selben Jahr und im Jahr darauf entstanden die beiden Chor-Messen in D und F, üppig besetzt, teils für Doppelchor – Musik für einen Stadtraum, in dem fromme Öffentlichkeit, barocke Pracht und politisch-ritueller Gestus ineinandergriffen. Dass die Quellenlage heute greifbar ist, verdanken wir u. a. New Yorker Sammlungen: Die Morgan Library bewahrt Kopisten- und Autographen-Material zu beiden Messen und zum „Stabat Mater“ (Cary 455, 438, 456) – mustergültige Ankerpunkte in einem notorisch unübersichtlichen Quellenfeld. Interessant ist zudem der lokale Kontext: Nach einem schweren Erdbeben in Neapol am 29. November 1732 ordnete der Kardinal Francesco Pignatelli (1652–1734), Erzbischof von Neapel 1703–1734, im Dezember 1732 eine jährliche Festmusik zu Ehren des Erdbebenpatrons Heiligen Emidius von Ascoli (wahrscheinlich im Jahr 303 n. Chr., als Märtyrer hingerichtet), an. Auch im Dezember 1732 erschütterte noch einmal ein schweres Erdbeben weite Teile Kampaniens und forderte zahlreiche Opfer. In Neapel selbst blieben die Zerstörungen vergleichsweise gering, was von der Bevölkerung als besondere Fügung Gottes verstanden wurde. Der amtierende Erzbischof, Kardinal Francesco Pignatelli reagierte darauf mit einer zweite Verfügung, die künftig jedes Jahr eine festliche Musik zu Ehren des heiligen Emidius von Ascoli, des als Erdbebenpatron verehrten Schutzheiligen, vorsah. Für die Konservatorien der Stadt bedeutete dies neue liturgische Aufgaben, bei denen junge Komponisten ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen konnten. Auch Giovanni Battista Pergolesi, der damals am Conservatorio dei Poveri di Gesù Cristo seine Ausbildung vollendete, kam auf diese Weise mit repräsentativen kirchenmusikalischen Aufführungen in Berührung. So verbanden sich die politischen und religiösen Umstände der Stadt unmittelbar mit den ersten öffentlichen Schritten seines künstlerischen Wirkens. Pergolesis F-Dur-Messe steht genau in diesem kultischen Rahmen.
1733 berief ihn Ferdinando Colonna, Principe di Stigliano († 1755), zum maestro di cappella in seinen neapolitanischen Dienst – ein Hof, an dem weltliche Repräsentation und Frömmigkeit keine Gegensätze waren. In diesen Patronage-Kosmos gehört auch die frühe Erfolgskomödie „Lo frate ’nnamorato“ (1732) in Neapolitanisch – ein Fenster in jene Stadt, in der Bühnenwitz, Dialekt und kontrapunktische Schulung keine Feinde waren. Der große Einschnitt kam 1733: Für das Teatro San Bartolomeo – es öffnete nach erdbebenbedingter Sperrung erstmals wieder – komponierte Pergolesi die Opera seria „Il prigionier superbo“ und stellte ihr das Intermezzo „La serva padrona“ voran, eine kleine, aber folgenreiche Theater-Detonation. Serpina, Uberto und der stumme Vespone wurden zu europäischen Figuren: 1752 trug der Pariser Skandal um diese scheinbar harmlose „Hausmusik“ den berühmten Namen „Querelle des Bouffons“ – eine ästhetisch-politische Fehde, in der Jean-Jacques Rousseau (1712–1778) und die Encyclopédistes die italienische Natürlichkeit gegen die französische Hoftragödie ausspielten. Dass sich die Debatte an einem 20-minütigen Intermezzo entzündete, sagt viel über die Sprengkraft des Tons, den Pergolesi traf.
Zwischen Opernaufträgen, Kirchenpflichten und Stipendien liegt ein oft übersehener römischer Exkurs: Für den 20. Mai 1734 ist Pergolesi durch eine Karikatur des Rom-Chronisten Pier Leone Ghezzi (1674–1755) belegt. Diese tuschierte Seitenansicht – ein schlanker, leicht nach vorn neigender Mann mit Notenblatt in den Händen – ist, neben einer zweiten Studie, das seltene zeitgenössische „Porträt“, das sein Äußeres glaubwürdig fasst; spätere idealisierte Bilder sind mit diesen Skizzen schwer vereinbar. Wer wissen will, wie Pergolesi „wirklich“ ausgesehen haben dürfte, sollte eher Ghezzi trauen als dem romantisierenden 19. Jahrhundert.
Ab 1735 verschlechterte sich sein Gesundheitszustand rapide – Tuberkulose im Endstadium. In Pozzuoli, bei den Franziskanern, vollendete er sein „Stabat Mater“ in f-Moll für Sopran, Alt, Streicher und Basso continuo, ein Werk, das den Stilwechsel seiner Zeit exemplarisch abbildet: Im eröffnenden Duett knüpft er mit schmerzgesättigten Dissonanz Bindungen an alte „durezze“-Kunst an, führt diese aber in eine neue, galant vereinfachte Linearität über – die Expressivität bleibt, doch der rhetorische Gestus ist entstaubt. Auftraggeber waren die Cavalieri di San Luigi di Palazzo in Neapel; Pergolesis neue Vertonung löste die als „veraltet“ empfundene Fassung Alessandro Scarlattis (1660–1725) ab. Das „Stabat Mater“ wurde nach seinem Tod zu einem europäischen Longseller – 1749 bereits in London gedruckt und im 18. Jahrhundert eines der meistverbreiteten einzelnen Musikstücke überhaupt. Selbst Johann Sebastian Bach (1685–1750) reagierte: In Leipzig machte er aus Pergolesis Musik die Bußkantate „Tilge, Höchster, meine Sünden“ (BWV 1083) – ein bemerkenswert früher Reflex aus dem deutschen Spätbarock auf neapolitanische Klangrede. Pergolesi starb am 16. März 1736 in Pozzuoli und wurde tags darauf im Kloster beigesetzt; sein Name – so Charles Burney (1726–1814) – verbreitete sich „im Augenblick seines Todes“ wie ein Lauffeuer durch Italien.
Ein Blick auf Wirkungsgeschichte und Irrtümer lohnt sich, denn kaum ein Komponistenname wurde im 18. und 19. Jahrhundert so hemmungslos „mitbenutzt“ wie der seine. Die Pariser „Querelle“ machte ihn zur Marke – mit der Folge, dass Verleger und Theaterleiter alles Mögliche als „Pergolesi“ etikettierten. Wo immer galante Eleganz, sangliche Thematik und leichtfüßige Rhythmik zusammentrafen, winkte ein Etikettenschwindel. Das hat Folgen bis weit ins 20. Jahrhundert: Igor Strawinsky (1882–1971) baute sein neoklassizistisches Ballett „Pulcinella“ (1920) „nach Pergolesi“ – heute wissen wir, dass ein gewichtiger Teil der Vorlagen nicht von Pergolesi stammt, sondern von Domenico Gallo (1730–ca. 1768), Unico Wilhelm van Wassenaer (1692–1766) und Carlo Ignazio Monza (1685–1739). So wirkte ein Mythos produktiv in die Moderne hinein – gerade weil er historisch unscharf war. Ähnlich langlebig sind populäre Fehletiketten wie die Pastorella „Tre giorni son che Nina“ (wahrscheinlich Vincenzo Legrenzio Ciampi, 1719–1762) oder das Salonlied „Se tu m’ami“ – letzteres ist nachweislich eine Bearbeitung des Sammlers Alessandro Parisotti (1853–1913) im 19. Jahrhundert, nicht Pergolesi. Und selbst im Bereich der geistlichen Musik wurde bis vor Kurzem gestritten: Die groß angelegte Passionsmusik „Septem verba a Christo in cruce moriente prolata“ kursierte lange als dubios; neue Quellenfunde und die kritische Edition von Reinhard Fehling (2013) haben die Autorschaft stark gestützt – ein gutes Beispiel dafür, wie lebendig die Quellenlage zu Pergolesi weiterhin ist.
Wer sein idiomatisches Profil jenseits der Schlagworte „buffa“ und „Stabat“ verstehen will, sollte genau auf die Balance von „gelehrter“ und „natürlicher“ Schreibart hören. In den Messen und Psalmen pflegt Pergolesi eine alte Schule der Spannung – Seufzerfiguren, retardierende Vorhalte, expressiv schmerzende Sekunden –, die er zugleich durch klares Periodendenken, helle Stimmführung und ein ökonomisches Orchester aufhellt. In den Intermezzi und Commedie per musica lächelt diese Ökonomie – die Sprache ist knapp, das Rezitativ ohne Ballast, die Arietten fassen Charaktere blitzlichtartig. Gerade diese Mischung erklärt die Wirkung auch auf Puristen wie Bach einerseits und Aufklärer wie Rousseau andererseits: Unter der Oberfläche des „Einfachen“ brennt die höchste Kunst der Affektkontrolle.
Biographisch bleibt er eine Figur der knappen Jahre, aber nicht der schmalen Substanz. Zwischen Jesi, Neapel und kurzen Exkursionen nach Rom hat Pergolesi in kaum einem Jahrzehnt ein Profil gezeichnet, das Europas musikalische Grammatik nachhaltig veränderte: Er gab der opera buffa ihre psychologische Schlagkraft; er zeigte, wie sich die große Rhetorik der kirchlichen Klangrede in eine neue Klarheit übersetzen lässt; und er wurde – ob er wollte oder nicht – zur Projektionsfläche eines Mythos, der bis in Strawinskys Moderne reicht. Der Rest ist nicht bloß Nachruhm, sondern die Geschichte eines Namens, der größer wurde als das Werk – und eines Werks, das trotz aller fremden Etiketten unverwechselbar nach Pergolesi klingt.
Quellenhinweise für die Schlüsseldaten im Text: zur Namensgeschichte „Draghi/Pergolesi“ und zur frühen Laufbahn in Neapel mit Lehrern und „capo paranza“, zu Messen, Quellen und dem San-Emidio-Kontext zu „La serva padrona“ (Premiere 1733 nach dem Erdbeben) und der „Querelle des Bouffons“ in Paris zu Ghezzi und der römischen Karikatur 1734 sowie zur Problematik späterer „Porträts“ zum Auftrag und zur Ästhetik des „Stabat Mater“, zu der Londoner Druck-Welle ab 1749 sowie Bachs BWV 1083 zu Mythos und Fehlzuschreibungen bis „Pulcinella“, „Nina“ und „Se tu m’ami“ sowie zur Neubewertung der „Septem verba“
BÜHNENWERKE
1. La Salustia, P. 146 (Neapel, Teatro San Bartolomeo, Januar 1732)
Opera seria in drei Akten
Libretto von Apostolo Zeno (1669–1750)
Uraufführung: Januar 1732 im Teatro San Bartolomeo, Neapel
Ort der Handlung: Rom
Zeit der Handlung: 3. Jahrhundert n. Chr., Regierungszeit Kaiser Alexanders Severus
Personen:
ALESSANDRO SEVERO, römischer Kaiser (Sopran-Kastrat)
SALUSTIA, seine Gemahlin (Sopran)
GIULIA, Mutter des Kaisers, machtbewusst und intrigant (Alt oder Mezzosopran)
CLAUDIO, Sohn Giulias, innerlich zerrissen (Sopran)
MARZIANO, Ratgeber des Kaisers (Tenor oder Bass)
Giovanni Battista Pergolesi trat mit La Salustia zum ersten Mal an die große Opernbühne. Das Werk entstand unter dramatischen Umständen: Der gefeierte Kastrat Nicolò Grimaldi („Nicolino“, 1673–1732), für den die Hauptrolle vorgesehen war, starb kurz vor der Premiere. In größter Eile musste der junge Gioacchino Conti („Giziello“) einspringen. Rollen wurden umgeschrieben, Stimmlagen verschoben, Arien neu verteilt. Diese „Werkstattlage“ prägt die Partitur sichtbar: „dramatisch kernige Secco-Rezitative stehen neben überraschend lyrischen Ruhepunkten, als hätte der Komponist beim Umschichten den Blick fürs psychologische Profil geschärft.“ Dass auch das obligatorische Intermezzo („Nerina e Nibbio“) komponiert, aber verschollen ist, verstärkt den Eindruck einer Produktionsstörung, die Pergolesi in künstlerische Klarheit verwandelt. „Die Arienlinien sind schlank, die Koloraturen präzise rhetorisiert, nicht virtuos um ihrer selbst willen. So früh schon klingt hier die Ökonomie, die später die Buffa tragen wird.“
Inhalt der Oper
Der Stoff entstammt dem Libretto La Salustia von Apostolo Zeno (1669–1750), das bereits mehrfach vertont worden war. Die Handlung spielt im spätantiken Rom und kreist um Machtkämpfe, Intrigen und private Leidenschaften im Herrscherhaus.
Im Mittelpunkt steht Kaiser Alessandro Severo, der in der Oper von Pergolesi als ein jugendlicher Herrscher erscheint. Seine Gattin Salustia ist die tugendhafte Heldin des Stücks. Die Gegenspielerin ist die intrigante Schwiegermutter Giulia, eine Figur, die in ihrer machtbewussten Härte fast schon die Typen der Opera seria übersteigt und Züge einer späteren „Donna“ in der Buffa ahnen lässt.
Die Handlung entfaltet sich in einem Netz aus Loyalitäten und Verrat:
Salustia, als Kaiserin eigentlich mit höchstem Ansehen versehen, gerät durch Intrigen in Lebensgefahr. Ihre Tugend, ihre Standhaftigkeit und ihr Sinn für Gerechtigkeit bilden den moralischen Gegenpol zum Spiel um Macht.
Giulia, die Schwiegermutter, will die junge Kaiserin stürzen, um selbst politischen Einfluss zurückzugewinnen. Sie ist von Ambition getrieben und nutzt die Schwächen des kaiserlichen Hofes aus.
Alessandro, der Kaiser, steht zwischen familiärer Bindung und staatlicher Verantwortung. Seine Figur zeigt bereits die Neigung Pergolesis, in den Rezitativen psychologische Feinheiten herauszuarbeiten.
Nebenfiguren wie Marziano, ein loyaler Höfling, sowie Claudio, der Sohn Giulias, tragen zur Zuspitzung des Konflikts bei.
Der dramatische Kern liegt in der Auseinandersetzung zwischen Giulia und Salustia: Intrige gegen Tugend, Ehrgeiz gegen Loyalität. Am Ende triumphiert die Rechtschaffenheit, Salustia wird rehabilitiert und das Reich bewahrt.
Musikalische Charakteristik
Pergolesi zeigt bereits mit diesem Erstlingswerk seine Fähigkeit, Figuren musikalisch zu charakterisieren. Die Rezitative sind spannungsvoll und zielgerichtet, die Arien verzichten weitgehend auf leere Virtuosität. Stattdessen dominieren klare Linien und eine rhetorisch geprägte Deklamation, die die Handlung vorantreibt. Besonders bemerkenswert ist die psychologische Durchzeichnung der Figuren: Giulia erhält schärfere, leidenschaftlich aufgewühlte Arien, während Salustias Musik von edler Einfachheit geprägt ist – ein Gegensatz, der die moralische Botschaft der Oper musikalisch unterstreicht.
Akt I
Die Oper eröffnet mit einer feierlichen Szene am kaiserlichen Hof in Rom. Kaiser Alessandro Severo erscheint als jugendlicher Herrscher, von allen Seiten umgeben von Erwartungen und Intrigen. An seiner Seite steht seine junge Gattin Salustia, die von Beginn an als Verkörperung der Tugend und Pflichttreue gezeichnet wird. Ihr Glück und ihre Stellung sind jedoch bedroht: Giulia, die ehrgeizige Schwiegermutter des Kaisers, empfindet die Hochzeit als Verlust ihrer eigenen Macht und Einflussnahme.
Bereits im ersten Akt entfaltet sich das Spannungsfeld zwischen diesen beiden Frauen. Giulia plant, Salustia in Misskredit zu bringen und ihre Position am Hof zu schwächen. Pergolesi unterstreicht diesen Gegensatz musikalisch mit scharf gezeichneten Arien. Giulia erhält leidenschaftliche, dramatisch aufgewühlte Musik, die ihre Ambitionen und ihre Härte ausdrücken. Salustia dagegen singt von ehelicher Treue und von Vertrauen in die göttliche Gerechtigkeit; ihre Arien sind von edler Schlichtheit und innerer Ruhe geprägt.
Nebenfiguren wie Marziano, ein erfahrener Staatsmann, und Claudio, Giulias Sohn, werden eingeführt. Marziano tritt als Stimme der Loyalität und des Ausgleichs auf, doch Claudio gerät zwischen den Fronten: Er liebt Salustia insgeheim und wird dadurch zu einem möglichen Werkzeug in Giulias Händen. Die Musik Pergolesis deutet seine Zerrissenheit an: lyrische Passagen wechseln mit aufgewühlten Koloraturen, die den inneren Konflikt hörbar machen.
Die Rezitative im ersten Akt sind besonders markant. Pergolesi nutzt sie nicht nur, um die Handlung voranzutreiben, sondern auch, um die Charaktere psychologisch zu profilieren. Scharfe Dialoge zwischen Giulia und Salustia gehören zu den eindrucksvollsten Momenten, in denen dramatische Zuspitzung entsteht, bevor Arien die jeweilige Gefühlslage ausführlicher entfalten.
Der erste Akt endet mit einer Szene, in der Giulias Intrige greifbar wird: Sie sät Zweifel am Hof und beginnt, Salustias Ansehen zu untergraben. Während die Kaiserin im Vertrauen auf die Liebe ihres Gatten Zuflucht sucht, legt Pergolesi mit der Musik schon die Spannung an, die den weiteren Verlauf bestimmt.
Akt II
Im zweiten Akt verdichtet sich das Netz der Intrigen am Hof. Giulia arbeitet beharrlich daran, die junge Kaiserin Salustia zu isolieren und ihre Stellung zu erschüttern. Mit scharfer Rhetorik und geschickten Manipulationen stellt sie Salustias Tugend infrage. Sie sucht Verbündete unter den Höflingen und setzt ihren eigenen Sohn Claudio unter Druck, damit er ihre Pläne unterstützt.
Claudio gerät in einen moralischen Zwiespalt. Einerseits ist er seiner Mutter verpflichtet, andererseits empfindet er tiefes Mitgefühl für Salustia, deren Unschuld und Würde ihn fesseln. Pergolesi verleiht diesem inneren Konflikt musikalischen Ausdruck, indem er Claudio Arien mit abrupten Kontrasten zwischen leidenschaftlicher Energie und lyrischer Zartheit zuteilt. Die Musik macht deutlich, wie zerrissen diese Figur ist.
Marziano tritt im zweiten Akt verstärkt als Stimme der Vernunft hervor. Er erkennt die Gefahr, die Giulias Intrigen für den Kaiser und das Reich bedeuten, und versucht, Alessandro zu warnen. Doch der jugendliche Herrscher schwankt zwischen seiner Liebe zu Salustia, seiner Loyalität zur Mutter und dem Druck, seine Autorität zu behaupten. Pergolesi zeichnet diese Unsicherheit in von Zweifel durchzogenen Rezitativen nach, die zwischen entschiedener Härte und plötzlicher Melancholie schwanken.
Salustia selbst erscheint als ruhiger Mittelpunkt des Geschehens. Obwohl sie von allen Seiten bedrängt wird, bleibt sie standhaft. Ihre Arien sind getragen von Vertrauen in die göttliche Gerechtigkeit und von innerer Stärke. Besonders berührend wirkt eine Szene, in der sie ihre Liebe zu Alessandro beschwört und zugleich bereit ist, ihr Schicksal zu tragen. Pergolesis Musik kleidet diese Haltung in schlichte, fast volkstümliche Linien, die einen starken Kontrast zur aufgewühlten Virtuosität Giulias bilden.
Der zweite Akt spitzt sich zu, als Giulia einen handfesten Anschlag auf die Ehre und vielleicht sogar auf das Leben Salustias vorbereitet. Die Intrige nimmt Gestalt an, und die Atmosphäre am Hof verdunkelt sich. In einem Ensemble verdichten sich die Stimmen aller Hauptfiguren, jede mit eigener Perspektive: Giulia triumphiert, Claudio schwankt, Marziano mahnt, Alessandro ist von Zweifeln gequält, und Salustia bleibt standhaft. Pergolesi schließt den Akt mit einer dramatischen Szene, die den Konflikt auf den Höhepunkt treibt und den Zuschauer in gespannter Erwartung zurücklässt.
Akt III
Der dritte Akt führt die Konflikte der vorangegangenen Handlung zu ihrem dramatischen Höhepunkt. Giulias Intrigen haben am Hof eine Atmosphäre des Misstrauens geschaffen, und Salustia steht nun offen im Zentrum der Anklagen. Sie wird beschuldigt, die kaiserliche Würde zu untergraben und sich gegen die Autorität der Familie des Kaisers zu stellen. Pergolesi steigert die dramatische Dichte, indem er die Rezitative knapp, pointiert und voller rhetorischer Schärfe gestaltet – die Sprache der Machtkämpfe erhält ein musikalisches Echo.
Alessandro schwankt bis zuletzt zwischen seiner Zuneigung zu Salustia und der Loyalität gegenüber seiner Mutter. Pergolesi zeichnet diesen inneren Konflikt mit Arien von schwankender Stimmungslage: energische, fast martialische Passagen wechseln mit lyrischen Momenten der Unsicherheit. In diesen Spannungen wird der Kaiser als verletzlicher junger Herrscher sichtbar, der zwischen familiären Bindungen und politischer Verantwortung hin- und hergerissen ist.
Claudio, Giulias Sohn, tritt im letzten Akt mit größerer Entschiedenheit hervor. Sein Mitgefühl für Salustia wächst, und er beginnt, die Machenschaften seiner Mutter infrage zu stellen. Pergolesi schenkt ihm eine bewegende Arie, in der seine Gewissensqualen in melodischen Bögen von großer Intensität zum Ausdruck kommen. Die Musik deutet an, dass sich seine Loyalität endgültig von Giulia löst.
Der dramatische Höhepunkt ist erreicht, als Salustia in Lebensgefahr gerät. Giulia versucht, die endgültige Vernichtung der Kaiserin herbeizuführen, doch Salustia begegnet ihrem Schicksal mit unerschütterlicher Würde. Ihre Arien sind in diesem Akt von einer fast asketischen Einfachheit geprägt, die innere Reinheit und moralische Überlegenheit zum Ausdruck bringt. In diesem Kontrast zwischen äußerer Bedrohung und innerer Standhaftigkeit liegt die tiefste emotionale Wirkung der Oper.
Die Auflösung erfolgt in einer Szene der Erkenntnis und Versöhnung. Giulias Intrigen fliegen auf, und ihre Schuld tritt zutage. Claudio verweigert ihr die Gefolgschaft, Marziano bringt die Wahrheit ans Licht, und Alessandro erkennt die Treue und Unschuld seiner Gattin. In einem finalen Ensemble tritt die Ordnung wieder hervor: Salustia wird rehabilitiert, Giulia muss ihre Niederlage eingestehen, und der Kaiser steht gestärkt an der Seite seiner Frau. Pergolesi gestaltet das Finale nicht als bloße Apotheose, sondern als moralische Lehre – die Tugend siegt über den Ehrgeiz, die Wahrheit über die Intrige.
So endet La Salustia mit einem Bild der Harmonie, das durch die dramatischen Erschütterungen der drei Akte umso eindringlicher wirkt. Schon in diesem Frühwerk zeigt sich Pergolesis Fähigkeit, mit ökonomischen Mitteln eine Oper zu schaffen, die psychologische Tiefe, dramatische Spannung und musikalische Klarheit verbindet.
Es existiert eine Live-Aufnahme als Video, die 2011 im Teatro Pergolesi in Jesi aufgeführt und von Arthaus Musik veröffentlicht wurde. Diese umfasst die modifizierte Fassung der Oper und ist im Handel als DVD und Blu-ray erhältlich.
Cast und Ensemble: Vittorio Prato als Marziano, Serena Malfi als Salustia, Laura Polverelli als Giulia, Florin Cezar Ouatu als Alessandro, Giacinta Nicotra und Maria Hinojosa Montenegro in weiteren Rollen. Dirigent: Corrado Rovaris; Ensemble: Accademia Barocca de I Virtuosi Italiani; Regie: Juliette Dechamps
https://www.youtube.com/watch?v=qjONm3_Ouws
2. Adriano in Siria, P. 140 (Neapel, Teatro San Bartolomeo, Oktober 1734)
Opera seria in drei Akten
Libretto von Pietro Metastasio (1698–1782)
Uraufführung: 25. Oktober 1734 im Teatro San Bartolomeo, Neapel
Ort der Handlung: Antiochia, nach dem Sieg der Römer über die Parther
Zeit der Handlung: 2. Jahrhundert n. Chr., Regierungszeit Kaiser Hadrians (117–138)
Personen:
ADRIANO, römischer Kaiser (Kastrat, Giovanni Carestini in der Uraufführung)
EMIRENA, Tochter des besiegten Partherkönigs Osroa (Sopran)
FARNASPE, parthischer Prinz, Emirenas Verlobter (Kastrat)
OSROA, König der Parther, Vater Emirenas (Bass)
SABINA, römische Prinzessin, dem Kaiser versprochen (Sopran)
AQUILIO, Offizier im Dienst des Kaisers (Tenor)
Mit Adriano in Siria kehrte Pergolesi zwei Jahre nach La Salustia an das Teatro San Bartolomeo zurück. Diesmal erhielt er den Auftrag, ein Libretto von Pietro Metastasio (1698–1782) zu vertonen, das zu den beliebtesten Texten der Opera seria gehörte. Schon vor Pergolesi hatten Komponisten wie Caldara, Veracini und Giacomelli diesen Stoff behandelt, und noch viele weitere sollten folgen. Pergolesis Fassung unterscheidet sich durch eine jugendliche Frische, eine auffallende Klarheit im Umgang mit der weitgespannten Handlung und eine gewisse Ökonomie der Mittel, die seine Handschrift sofort erkennbar macht.
Die Uraufführung am 25. Oktober 1734 fand in einem glanzvollen Rahmen statt. In der Titelrolle des römischen Kaisers Hadrian (117 bis 138 n. Chr.) stand der berühmte Kastrat Giovanni Carestini (1704–1760), einer der gefragtesten Sänger seiner Zeit. Das Publikum begegnete dem Werk mit großem Interesse, nicht zuletzt wegen der politischen Parallelen: ein Herrscher, der seine Leidenschaft zügeln und zwischen privatem Begehren und staatlicher Pflicht unterscheiden muss.
Inhalt der Oper
Die Handlung spielt in Antiochia, kurz nach der Unterwerfung Kleinasiens durch die Römer. Kaiser Hadrian (Adriano) residiert als Sieger und zeigt zunächst eine noble Haltung gegenüber den Besiegten. Doch seine Leidenschaft für Emirena, die Tochter des besiegten Partherkönigs Osroa, führt ihn in einen Konflikt zwischen Liebe und Staatsräson.
Emirena ist allerdings bereits mit Farnaspe verlobt, einem parthischen Prinzen, der nun als Gefangener am römischen Hof lebt. Zwischen diesen drei Figuren entwickelt sich das zentrale Spannungsfeld der Oper:
Adriano, der Kaiser, schwankt zwischen seiner imperialen Pflicht und dem Drang seines Herzens. Emirena bleibt ihrem Verlobten treu, trotz der schmeichelnden Avancen des Kaisers. Farnaspe ringt mit Eifersucht und Ohnmacht, weiß er doch um seine unterlegene Position als Gefangener.
Osroa, Emirenas Vater, tritt als stolzer Gegner auf. In heimlicher Verbitterung gegen den Kaiser plant er einen Anschlag, der die ohnehin fragile Ordnung in Antiochia zu zerstören droht. Sabina, Adriano zugedachte Braut aus Rom, ergänzt die Konfliktlinie: Sie ist eigens angereist, um ihre Ehe mit dem Kaiser zu vollziehen, doch sie stößt auf dessen Leidenschaft für eine andere.
Das Drama entfaltet sich in einer Folge von Intrigen, Täuschungen und inneren Kämpfen. Emirena wird der Brandstiftung beschuldigt und von Adriano zum Tod verurteilt, während ihr Vater Osroa als eigentlicher Schuldiger im Verborgenen bleibt. In bewegenden Szenen muss der Kaiser zwischen Strenge und Milde entscheiden.
Musikalische Charakteristik
Pergolesi arbeitet mit den traditionellen Formen der Opera seria, doch er belebt sie mit neuen Akzenten. Seine Arien sind weniger von endloser Virtuosität bestimmt, sondern von einer klaren dramatischen Funktion. Besonders die Partie des Farnaspe enthält einige der ergreifendsten Klagelieder, die Pergolesi geschrieben hat – zarte Linien, die die Zerrissenheit zwischen Liebe, Schmerz und Treue unmittelbar spürbar machen. Adriano selbst erhält Musik von erhabener Strenge, während Emirenas Arien von edler Reinheit geprägt sind. Sabinas Musik ist energisch, kämpferisch, sie tritt als Stimme der römischen Würde auf.
Das Finale gipfelt in einer Szene der Gnade: Adriano erkennt die Unschuld Emirenas und vergibt ihrem Vater. Er verzichtet auf seine persönliche Leidenschaft und bekennt sich zu seiner Pflicht als Herrscher. In der Versöhnung aller Parteien, im Triumph der Treue und der politischen Vernunft, schließt die Oper in einer Apotheose, die typisch für Metastasios Libretto, aber von Pergolesi mit ungewöhnlicher Direktheit und Intensität gestaltet ist.
So zeigt Adriano in Siria bereits den reifen Opernkomponisten Pergolesi: die Balance von Pathos und Klarheit, von melodischer Schönheit und psychologischer Präzision.
Akt I
Die Oper eröffnet in Antiochia, wo Kaiser Hadrian nach dem Sieg über die Parther residiert. Pergolesi stellt diese Situation gleich zu Beginn mit feierlicher Musik dar, die den Glanz und die Autorität des Kaisers unterstreicht. Doch die Ruhe ist trügerisch: Hinter den Fassaden der Macht verbergen sich Leidenschaften und politische Spannungen, die bald das Zentrum der Handlung bilden.
Adriano begegnet Emirena, der Tochter des besiegten Königs Osroa. Sofort entflammt er in Liebe zu ihr. Seine Arien im ersten Akt zeigen eine Mischung aus imperialer Größe und persönlicher Schwäche – feierlich im Ton, doch von einer unterschwelligen Zartheit geprägt, die verrät, dass der Herrscher hier von Gefühlen geleitet wird, die seiner politischen Pflicht widersprechen.
Emirena dagegen hält unbeirrt an ihrem Verlobten Farnaspe fest, der nun als Gefangener im römischen Lager lebt. Sie tritt von Anfang an als Verkörperung von Treue und moralischer Reinheit auf. Pergolesi unterstreicht dies musikalisch mit weit ausgesungenen Kantilenen, die eine ruhige Festigkeit ausstrahlen.
Farnaspe, der die Liebe Emirenas erwidert, leidet an seiner ohnmächtigen Lage. Seine erste Arie ist eine der anrührendsten Szenen des ersten Aktes: Sie verbindet den Schmerz des Gefangenen mit der Würde eines Mannes, der trotz Demütigung nicht von seiner Liebe abweicht. Pergolesi setzt hier auf eine melancholische, lyrische Linie, die Carestinis glanzvolle Stimme zur Geltung brachte.
Parallel dazu tritt Sabina auf, die römische Braut, die Hadrian heiraten sollte. Ihr Erscheinen schafft eine neue Konfliktlinie: Sie erkennt rasch, dass ihre Position am Hof von Antiochia durch die Liebe des Kaisers zu Emirena gefährdet ist. In ihrer Musik herrscht Energie und Entschlossenheit, fast kämpferisch, doch zugleich mit dem Schmerz einer Frau, die sich zurückgesetzt sieht.
Osroa, der besiegte König, wird als Figur eingeführt, die äußerlich Demut zeigt, innerlich jedoch voller Zorn ist. Er plant einen Aufstand und sucht nach einem Weg, die römische Herrschaft zu untergraben. Pergolesi gestaltet seine Musik mit einer düsteren Färbung, die den latenten Widerstand spürbar macht.
Der erste Akt endet in einer Situation größter Spannung: Adriano hat seine Leidenschaft für Emirena deutlich gemacht, Sabina fühlt sich verraten, Farnaspe leidet an der Eifersucht, Emirena ist zwischen Liebe und Pflicht hin- und hergerissen, und Osroa sinnt auf Rache. In einem Ensemble kulminieren diese widersprüchlichen Stimmen – ein dichtes musikalisches Geflecht, das die Grundkonflikte der Oper mit dramatischer Klarheit zusammenführt.
Akt II
Im zweiten Akt spitzt sich das Beziehungsgeflecht zwischen Liebe, Pflicht und Intrige zu. Adriano steht immer offener zu seiner Leidenschaft für Emirena, auch wenn er damit die politische Ordnung gefährdet. In seinen Rezitativen schwankt er zwischen kaiserlicher Autorität und innerer Zerrissenheit, in den Arien gewinnt seine Sprache an Intimität: Pergolesi verleiht ihm Melodien von fast lyrischer Schwäche, die in auffälligem Gegensatz zur äußeren Rolle des siegreichen Kaisers stehen.
Emirena bleibt hingegen unbeirrt. Sie hält an Farnaspe fest, dessen Liebe sie als ihren größten Schatz begreift. In diesem Akt singt sie Arien von ergreifender Reinheit, die die Stärke einer Frau zeigen, die lieber leidet, als ihre Treue zu verraten. Pergolesi gestaltet diese Musik schlicht und klar, fast wie eine Vorahnung jener buffonesken Einfachheit, die später sein Markenzeichen werden sollte, hier aber in den Dienst der moralischen Standhaftigkeit gestellt ist.
Farnaspe selbst steht im Zentrum des zweiten Aktes. Als Gefangener, zugleich Geliebter, wird er mehr und mehr von Verzweiflung und Eifersucht gequält. Besonders eindrucksvoll ist eine seiner großen Klagarien, in der Pergolesi weite melodische Bögen mit schmerzvollen harmonischen Wendungen verbindet. Carestinis Stimme konnte hier ihre ganze Ausdruckskraft entfalten, vom kraftvollen Aufschrei bis zur sanften Klage.
Sabina tritt jetzt kämpferischer auf. Sie ist nicht bereit, den Kaiser kampflos an Emirena zu verlieren. In scharf gezeichneten Arien fordert sie ihre Rechte ein und wirft Adriano seine Untreue vor. Ihre Musik ist energisch, voller rhythmischer Schärfen und Koloraturen, die weniger dem virtuosen Glanz dienen als der Schärfe ihrer Argumente. Sabina ist die Stimme der römischen Ordnung, die an Adriano appelliert, seine Pflicht nicht der Leidenschaft zu opfern.
Osroa treibt unterdessen seinen Plan voran. Er organisiert im Verborgenen einen Aufstand gegen die Römer. In seinen Szenen verdichtet Pergolesi die dunkle Atmosphäre: kurze, drohende Phrasen in den Rezitativen, Arien voller finsterer Energie. Besonders bemerkenswert ist der Augenblick, in dem Osroa den Brandanschlag auf den Palast plant – hier klingt die Musik von einer bedrohlichen Dringlichkeit, die selten in einer Opera seria zu finden ist.
Die Handlung kulminiert im falschen Verdacht gegen Emirena. Als der Palast in Flammen aufgeht, fällt der Verdacht auf sie, und Adriano selbst verurteilt sie im Affekt. Diese dramatische Zuspitzung bildet den Kern des zweiten Aktes: Die Treue der Heldin wird durch höchste Bedrängnis geprüft, und der Kaiser offenbart, wie sehr er Gefangener seiner Leidenschaft und seiner Zweifel ist.
Das Ende des Aktes ist ein Ensemble von großer Intensität. Jede Figur steht an einem Wendepunkt: Emirena beklagt ihr Schicksal, Farnaspe verzweifelt an der Ungerechtigkeit, Sabina triumphiert scheinbar über ihre Rivalin, Osroa wähnt sich seinem Ziel nahe, und Adriano selbst ist zwischen Liebe und Pflicht zerrissen. Pergolesi lässt diese Stimmen ineinanderfließen und schafft ein Finale, das von bedrängender Düsternis geprägt ist und den Weg in den dritten Akt weist.
Akt III
Der dritte Akt bringt die Konflikte von Adriano in Siria zu ihrem Höhepunkt und zur Lösung. Emirena sitzt unter dem Vorwurf der Brandstiftung in Haft. Ihre Unschuld ist zwar offensichtlich, doch Adriano hat sich in seiner Leidenschaft und in seinem Zweifel verrannt. Die Oper erreicht hier ihre dunkelste Stimmung: Pergolesi lässt Emirena eine ergreifende Gefängnisarie singen, in der sie zwischen Hoffnung und Verzweiflung schwankt. Ihre Musik ist von edler Einfachheit, getragen von langen Kantilenen, die die Reinheit ihres Charakters widerspiegeln.
Farnaspe erlebt die größte seelische Qual. Als er erfährt, dass seine Geliebte verurteilt ist, steigert sich seine Verzweiflung in eine der expressivsten Arien des gesamten Werkes. Hier findet Pergolesi zu einer Emotionalität, die in der Opera seria selten ist: Schmerz und Liebe, Verzweiflung und Zärtlichkeit liegen eng beieinander, sodass Farnaspe als Figur eine fast tragische Dimension gewinnt.
Sabina steht nun zwischen Triumph und Ernüchterung. Zwar scheint ihre Rivalin ausgeschaltet, doch sie erkennt, dass Adriano sich von ihr entfremdet hat. Ihre Arien sind voller Spannung, fast wie Anklagen gegen den Kaiser selbst. Pergolesi verleiht ihr eine energische, aufrechte Sprache, die sie zur Verkörperung des politischen Gewissens macht.
Osroa, der eigentliche Schuldige, steht kurz vor der Enthüllung. Sein finsterer Plan droht zu scheitern, doch noch versucht er, die Täuschung aufrechtzuerhalten. In diesem letzten Akt erhält er Musik von fiebriger Unruhe, die seine innere Verzweiflung ausdrückt, während er die letzten Schritte seines Aufstands vorbereitet.
Der dramatische Wendepunkt kommt, als die Wahrheit ans Licht gebracht wird. Marziano, der treue Ratgeber, oder in manchen Fassungen Sabina selbst, enthüllt, dass Osroa der Schuldige ist. Adriano erkennt, dass er in seiner Leidenschaft und in seinen Vorurteilen beinahe die Unschuldige geopfert hätte.
Das Finale führt zur Wiederherstellung der Ordnung: Adriano begnadigt Emirena, erkennt ihre Treue zu Farnaspe an und verzichtet auf seine persönliche Leidenschaft. Er gibt Sabina ihr Recht zurück, und die politische Vernunft triumphiert über das Spiel der Gefühle. Emirena und Farnaspe werden wieder vereint, Osroa muss seine Schuld eingestehen und sich fügen, Sabina bleibt als Symbol römischer Würde bestehen.
Pergolesi beschließt die Oper mit einem Ensemble, das nicht in prunkvolle Jubelgesten ausartet, sondern in klarer, ausgewogener Harmonie die Lehre formuliert: Die Pflicht des Herrschers und die Standhaftigkeit der Tugend sind stärker als persönliche Leidenschaften. Hier zeigt sich erneut die Ökonomie seines Stils: keine überflüssigen Verzierungen, sondern eine Musik, die den moralischen Kern des Librettos in unmittelbarer Klarheit ausleuchtet.
So endet Adriano in Siria – als Oper, die historische Namen mit erfundenen Konflikten verbindet, die aber zugleich von Pergolesis Musik zu einem tief berührenden Drama über Pflicht, Liebe und Verzicht geformt wird.
https://www.youtube.com/watch?v=biIiHF_XCpQ
3. L’Olimpiade, P. 145 (Rom, Teatro Tordinona, Januar 1735)
Opera seria in drei Akten
Libretto von Pietro Metastasio (1698–1782)
Uraufführung: 28. Januar 1735 im Teatro Tordinona, Rom
Ort der Handlung: Olympia, zur Zeit der antiken Olympischen Spiele
Zeit der Handlung: mythisch-antike Epoche
Personen:
LICIDA, Sohn des Königs von Kreta (Kastrat)
MEGACLE, Athlet und Freund Licidas (Kastrat)
ARISTEA, Tochter des Königs von Sikyon (Sopran)
CLISTENE, König von Sikyon (Bass)
ARGENE, frühere Geliebte Licidas (Mezzosopran)
ALCANDRO, Vertrauter Clistenes (Tenor oder Bass)
Inhalt
Der Schauplatz ist Olympia zur Zeit der antiken Spiele. König Clistene von Sikyon hat verkündet, dass seine Tochter Aristea den Sieger der Olympischen Wettkämpfe zur Frau erhalten soll. Damit setzt er die Handlung in Bewegung.
Licida, Sohn des Königs von Kreta, ist selbst in Aristea verliebt, doch er weiß, dass er im Wettkampf nicht siegen kann. Deshalb bittet er seinen besten Freund Megacle, an seiner Stelle anzutreten und ihm Aristea zu gewinnen. Megacle, der von unerschütterlicher Freundschaft geprägt ist, willigt ein – nicht ahnend, dass er selbst Aristea liebt und von ihr geliebt wird.
Die Verwicklungen beginnen, als Aristea erfährt, dass der Sieger Megacle heißt – ihr Geliebter. Doch Megacle, seinem Versprechen verpflichtet, überlässt sie Licida. Pergolesi kleidet diesen Konflikt in Arien von hoher Emotionalität: Megacle singt Melodien voller Opferbereitschaft, Aristea klagt in Tönen von inniger Leidenschaft, und Licida zeigt in seinen Auftritten eine Mischung aus Verlangen und egoistischem Ehrgeiz.
Parallel dazu tritt Argene auf, eine Frau, die Licida einst verließ, die ihn aber immer noch liebt. Sie fungiert als Kontrastfigur: ihre Arien sind von Empfindsamkeit und verdecktem Schmerz durchzogen, zugleich trägt sie dazu bei, die Intrige zu entwirren.
Im zweiten Akt verdichtet sich der Konflikt: Megacle gesteht Aristea, dass er aus Freundestreue für Licida handelte, und zieht sich verzweifelt zurück. Pergolesi schenkt ihm hier eine der ergreifendsten Arien der ganzen Oper, in der Treue, Liebe und Verzweiflung miteinander verschmelzen. Aristea, zerrissen zwischen Liebe und Gehorsam, antwortet mit Kantilenen von eindringlicher Innigkeit.
Licida hingegen verfällt immer tiefer in Eifersucht und Misstrauen. Er schwankt zwischen Freundschaft und Rivalität, und Pergolesi gibt ihm Musik von leidenschaftlicher Dramatik, die zu den expressivsten Momenten der Partitur gehören.
Im dritten Akt erreicht die Handlung ihre Wende. Licida, von Schuld und innerem Zwiespalt gequält, wird der Anstiftung zu Verrat überführt und zum Tod verurteilt. Doch im entscheidenden Moment enthüllt sich, dass er der Sohn Clistenes ist, der als Kind ausgesetzt wurde. Damit wendet sich das Schicksal: Licida wird rehabilitiert, Aristea darf mit Megacle vereint werden, und die Oper endet mit einer Apotheose der Freundschaft und Versöhnung.
Musikalische Charakteristik
Pergolesi nutzt Metastasios Libretto, um Figuren von ungewöhnlicher psychologischer Tiefe zu zeichnen. Besonders die Partie des Megacle enthält Arien von inniger, fast kammermusikalischer Zartheit, die auf eine neue Empfindsamkeit vorausweisen. Aristea wird in Melodien von leuchtender Reinheit charakterisiert, Licida dagegen in leidenschaftlich aufgewühlten Koloraturen. Die Ensembles sind knapp, doch wirkungsvoll: Sie bündeln die Stimmen der Gegensätze und führen zu einem Finale, das den Triumph von Liebe und Freundschaft über Intrige und Ehrgeiz verkündet.
Akt I
Die Oper eröffnet in Olympia während der feierlichen Spiele. König Clistene hat verkündet, dass seine Tochter Aristea den Sieger des Wettkampfes heiraten soll. Diese Entscheidung verleiht dem Geschehen sofort dramatische Schärfe.
Licida, Sohn des Königs von Kreta, ist in Aristea verliebt, weiß aber, dass er im Wettkampf keine Chance hat. Deshalb bittet er seinen engsten Freund Megacle, für ihn anzutreten. Megacle, ein gefeierter Athlet, willigt aus Freundestreue ein, obwohl er selbst Aristea liebt. Pergolesi zeichnet diesen Zwiespalt schon im ersten Akt deutlich: Megacles Arien sind von Opferbereitschaft und leiser Trauer geprägt, während Licida in leidenschaftlich aufgewühlten Koloraturen seinen Wunsch und seine Ungeduld zeigt.
Aristea ahnt nichts von der Abmachung. Sie freut sich über den bevorstehenden Wettkampf und ihre Gefühle zu Megacle klingen in innigen Kantilenen an. Pergolesi kontrastiert ihre zarten Linien mit der leidenschaftlich aufgeladenen Musik Licidas.
Im Hintergrund erscheint Argene, die frühere Geliebte Licidas. Sie ist von ihm verlassen worden, liebt ihn aber noch immer. Ihre Musik ist voller Schmerz und Sehnsucht, zugleich deutet sie an, dass sie zur Schlüsselfigur der Auflösung werden könnte.
Der erste Akt endet mit dem Sieg Megacles im Wettkampf. Das Volk jubelt, und Aristea erkennt in ihm ihren Geliebten. Doch Megacle, seinem Schwur treu, erklärt, den Sieg für Licida errungen zu haben. So beginnt die Verstrickung, die den weiteren Verlauf bestimmt.
Akt II
Der zweite Akt vertieft die seelischen Konflikte. Aristea erfährt von Megacles Treueeid gegenüber Licida und gerät in Verzweiflung. Ihre Arien sind von Schmerz durchzogen, doch zugleich von standhafter Liebe erfüllt. Pergolesi legt ihr Musik von leuchtender Intensität in den Mund, die ihre Reinheit und Stärke zeigt.
Megacle wird mehr und mehr zur tragischen Figur. Er liebt Aristea, doch seine Loyalität zwingt ihn zum Verzicht. Eine seiner großen Arien im zweiten Akt gehört zu den ergreifendsten Stellen der Oper: schlichte, lange Phrasen, die den Ausdruck von Opferbereitschaft über jede Virtuosität stellen.
Licida hingegen steigert sich in Eifersucht und Misstrauen. Obwohl sein Freund für ihn gesiegt hat, quält ihn der Verdacht, dass Aristea und Megacle einander zugetan sind. Pergolesi drückt diese Zerrissenheit mit leidenschaftlich aufgewühlten Arien aus, die zu den dramatischsten der gesamten Partitur zählen.
Sabina tritt in Adriano in Siria als Stimme der Pflicht auf – hier übernimmt diese Rolle Argenes kluger Blick. Sie versucht, Licida zur Vernunft zu bringen und erinnert ihn an frühere Treueversprechen. Doch er stößt sie zurück.
Am Ende des zweiten Aktes steht die Katastrophe unmittelbar bevor: Megacle erkennt, dass er Aristea nicht verlieren will, und Licida ist von Eifersucht erfüllt. In einem großen Ensemble treffen die widersprüchlichen Stimmen aufeinander – Liebe, Misstrauen, Opfer und Zorn.
Akt III
Im dritten Akt erreicht die Handlung ihren Höhepunkt. Megacle, von Verzweiflung überwältigt, beschließt, sich das Leben zu nehmen, da er glaubt, Aristea endgültig verloren zu haben. Pergolesi schenkt ihm eine Arie von schmerzlichster Intensität, die in langen, klagenden Linien den Ausdruck des Selbstopfers trägt.
Aristea beklagt den vermeintlichen Verlust ihres Geliebten und beschwört in glühender Leidenschaft ihre Treue. Licida, inzwischen von Schuldgefühlen geplagt, gerät selbst ins Visier der Anklage, als seine Intrigen und Eifersucht ans Licht kommen.
Der dramatische Wendepunkt kommt, als er des Verrats beschuldigt und zum Tode verurteilt wird. In letzter Sekunde enthüllt sich die Wahrheit: Licida ist der verschollene Sohn Clistenes, der als Kind ausgesetzt worden war. Diese Enthüllung verändert das Schicksal aller.
Clistene erkennt seinen Sohn, vergibt ihm und hebt das Todesurteil auf. Megacle wird für seine Treue belohnt: er darf Aristea heiraten. Argene findet Genugtuung, weil Licida ihre Liebe endlich anerkennt.
Das Finale vereint alle Stimmen in einer Apotheose, wie sie Metastasio liebt und wie Pergolesi sie in leuchtender Klarheit gestaltet: Freundschaft, Treue und Liebe siegen über Misstrauen, Eifersucht und Intrige.
Musikalische Charakteristik
Pergolesi verbindet in L’Olimpiade die formale Strenge der Opera seria mit einem unerwarteten Maß an psychologischer Feinzeichnung. Megacle wird zur wahrhaft tragischen Figur, deren Arien den Ausdruck der Empfindsamkeit vorwegnehmen. Aristeas Musik leuchtet in reiner Kantabilität, während Licida in leidenschaftlichen Koloraturen zwischen Liebe und Verzweiflung schwankt. Argene verkörpert eine Stimme der Wahrheit und Beständigkeit. Die Ensembles sind sparsam, doch von großer Wirkung: Sie bündeln die inneren Kämpfe und führen sie in einer Schlussszene zusammen, die den Triumph der Tugend verkündet.
https://www.youtube.com/watch?v=V3PtMPFH23w
4. Il Flaminio, P. 141 (Neapel, Teatro Nuovo, 1735)
Opera buffa in drei Akten
Libretto von Gennaro Antonio Federico (1699–1745)
Uraufführung: 1735 im Teatro Nuovo, Neapel
Ort der Handlung: ein Landgut bei Neapel
Zeit der Handlung: Gegenwart (um 1730)
Personen:
FLAMINIO, ein junger Edelmann, der sich in Grazia verliebt hat (Tenor)
GIUSTINA, Schwester Flaminio, ebenfalls in Grazia verliebt (Sopran)
GRAZIA, eine reiche Witwe, selbstbewusst und unabhängig (Sopran)
POLIDORO, ein einfältiger Edelmann, als Heiratskandidat vorgesehen (Bassbuffo)
LUSETTA, Zofe von Grazia, gewitzt und intrigant (Sopran)
FALCONE, Vater Lusettas, komisch-grobschlächtiger Bauer (Bass)
VASTO, Freund Flaminio und weiterer Bewerber um Grazias Hand (Tenor oder Bariton)
Inhalt
Pergolesis Il Flaminio gehört zu den Meisterwerken der frühen Opera buffa. Anders als die ernsten Werke La Salustia, Adriano in Siria und L’Olimpiade richtet sich hier alles auf die Komik der Situationen, die Lebensnähe der Figuren und die scharfe Beobachtung menschlicher Schwächen.
Die Handlung dreht sich um Grazia, eine junge, wohlhabende Witwe, die von mehreren Bewerbern umworben wird. Flaminio, ein Edelmann von ernsthafter Leidenschaft, liebt sie aufrichtig. Doch er ist zugleich der Bruder Giustinas, die ebenfalls für Grazia entflammt ist – eine Konstellation, die zahlreiche Verwicklungen nach sich zieht.
Grazia selbst ist eine Frau von klarem Verstand, die sich nicht leicht in die Enge treiben lässt. Sie spielt mit den Bewerbern, prüft deren Charakter und entscheidet selbstbewusst, wem sie ihre Zuneigung schenken will. Pergolesi gestaltet ihre Musik mit eleganter Leichtigkeit, zugleich mit einem ironischen Unterton: grazile Linien, die den Reiz der weiblichen Selbstbestimmung unterstreichen.
Polidoro bringt den typischen buffonesken Kontrast: einfältig, großspurig und von ehrgeizigen Plänen getrieben, wird er zum Ziel des Spotts. Seine Arien sind von komischer Übertreibung geprägt – schnelle Silbenketten, groteske Sprünge, rhythmische Ungeschicklichkeiten.
Lusetta, die gewitzte Zofe, und ihr Vater Falcone verkörpern den volkstümlichen Teil der Oper. Sie kommentieren das Geschehen mit scharfem Witz, treiben die Handlung durch Intrigen voran und stehen in direkter Nachfolge der commedia dell’arte. Pergolesi gibt ihnen Musik von packender Lebendigkeit, die mit Tanzrhythmen spielt und volkstümliche Farben einsetzt.
Der dritte Bewerber, Vasto, agiert als Nebenbuhler, dessen edle Haltung im Kontrast zu Flaminio steht. Auch er wirbt um Grazia, doch seine Aufrichtigkeit kann den Ausgang nicht verhindern.
Verlauf der Handlung
Im ersten Akt werden die Figuren und ihre Verhältnisse vorgestellt: Flaminio liebt Grazia, doch seine Schwester Giustina ist selbst verliebt in sie, und Polidoro tritt als komischer Gegenpart auf. Grazia bleibt unentschlossen und prüft ihre Bewerber.
Im zweiten Akt steigern sich die Verwicklungen. Lusetta und Falcone spinnen Intrigen, während Flaminio zwischen Hoffnung und Eifersucht schwankt. Giustina leidet an unerfüllter Liebe und erhält bewegende Arien, die einen ernsthaften Ton in die Komödie bringen. Pergolesi zeichnet sie mit einer Eindringlichkeit, die das Werk über das rein Komische hinaushebt.
Der dritte Akt bringt die Auflösung: Die Intrigen Polidoros werden entlarvt, Lusettas Streiche fliegen auf, und Grazia bekennt sich zu Flaminio. Giustina muss ihr unglückliches Gefühl überwinden, während Polidoro in Gelächter untergeht. Das Finale versöhnt alle und endet in einem schwungvollen Ensemble, das die Freude über die Macht der wahren Liebe feiert.
Musikalische Charakteristik
Il Flaminio zeigt Pergolesi auf dem Höhepunkt seines komischen Talents. Er entwickelt die Typen der Opera buffa mit einer psychologischen Feinheit, die weit über stereotype Rollen hinausgeht. Flaminio erhält Musik von jugendlicher Leidenschaft, Grazia von selbstbewusster Eleganz, Giustina von rührender Empfindsamkeit, Polidoro von grotesker Komik. Lusetta und Falcone verleihen dem Werk seine volkstümliche Würze, während die Ensembles den Witz und die Lebendigkeit der Handlung bündeln.
Damit gehört Il Flaminio zu den entscheidenden Werken auf dem Weg zur reifen Opera buffa, die später in La serva padrona ihren Höhepunkt fand.
https://www.youtube.com/watch?v=z_rooCe2GSg
5. Lo frate ’nnamorato, P. 144 (Neapel, Teatro dei Fiorentini, 27. September 1732)
Opera buffa in drei Akten
Libretto von Gennaro Antonio Federico (1699–1745)
Uraufführung: 27. September 1732 im Teatro dei Fiorentini, Neapel
Ort der Handlung: Ein Haus in Neapel
Zeit der Handlung: Gegenwart (um 1730)
Personen:
ASDRUBALE, ein reicher Neapolitaner (Bass)
NINA, seine Nichte (Sopran)
NANNINA, ihre Schwester (Sopran)
MARCELLA, ihre Cousine (Sopran)
CARLO, Sohn Asdrubales (Tenor)
LUIGI, Bruder Asdrubales (Bariton oder Bass)
FRANCESCO, ein junger Mönch („frate“) – in Wirklichkeit ihr Vetter (Tenor)
VANNELLA, eine Magd (Mezzosopran)
CARDINALE, ein Vertrauter (Bass)
Inhalt
Lo frate ’nnamorato ist Pergolesis erste große Opera buffa und markiert den Beginn seiner Meisterschaft im komischen Fach. Die Handlung beruht auf einem typischen Intrigenspiel der neapolitanischen Bühne: Verwechslungen, unerwartete Enthüllungen und ein Spiel mit gesellschaftlichen Rollen.
Im Mittelpunkt steht Francesco, der als Mönch in das Haus seines Onkels Asdrubale zurückkehrt. Doch kaum dort angelangt, verliebt er sich unsterblich in seine Cousinen Nina und Nannina. Pergolesi gibt ihm Arien, die zwischen echter Leidenschaft und komisch-peinlicher Verklemmtheit schwanken. Der Titel – „Der verliebte Mönch“ – deutet die Grundidee an: ein Geistlicher, der gegen sein Gelübde verstößt und sich in die Intrigen eines bürgerlichen Haushalts verstrickt.
Asdrubale, der Onkel, ist eine typische Bassbuffo-Figur: eitel, grobschlächtig und von komischer Selbstüberschätzung geprägt. Seine Arien sind voller sprunghafter Silbenketten und grotesker Melodien, die seine tölpelhafte Autorität musikalisch karikieren.
Nina und Nannina sind charmante junge Frauen, deren Unterscheidung oft nur Anlass für komische Verwirrungen bildet. Marcella, ihre Cousine, sorgt zusätzlich für Spannungen im Liebesgeflecht. Pergolesi zeichnet sie mit grazilen Melodien und spritzigen Rhythmen, die die Leichtigkeit der neapolitanischen Buffa verkörpern.
Der erste Akt führt die Figuren ein: Francesco verliebt sich in seine Cousinen, Asdrubale prahlt mit seinem Reichtum, und die Mädchen beginnen ihre kleinen Intrigen.
Im zweiten Akt verdichten sich die Verwicklungen. Francesco wird zunehmend zerrissen zwischen seinem Gelübde und seiner Leidenschaft. Seine Klagelieder gehören zu den überraschend ernsten Momenten der Oper: Hier zeigt Pergolesi bereits die Fähigkeit, in einer Komödie Momente echter Empfindsamkeit einzubauen.
Der dritte Akt bringt die Lösung: Francesco erkennt, dass er unmöglich als Mönch und Liebender zugleich leben kann, und die Intrigen im Haus finden ihr Ende. Schließlich wird er „befreit“ – die Oper endet mit einem großen, ausgelassenen Ensemble, das die Wiederherstellung von Ordnung und Freude feiert.
Musikalische Charakteristik
Lo frate ’nnamorato ist ein Schlüsselwerk für die Entwicklung der Opera buffa. Pergolesi verbindet volkstümliche Vitalität mit melodischer Eleganz. Die Arien sind oft kurz, pointiert und von tänzerischer Leichtigkeit, die Rezitative lebendig und voll szenischer Energie. Besonders bemerkenswert ist der Wechsel zwischen komischer Übertreibung und echten lyrischen Momenten – eine Mischung, die später in La serva padrona zur vollkommenen Form reifte.
https://www.youtube.com/watch?v=I7CHklJMhto
6. La serva padrona, P.137 (Neapel, Teatro San Bartolomeo, 28. August 1733)
Intermezzo in zwei Teilen
Libretto von Gennaro Antonio Federico (1699–1745)
Uraufführung: 28. August 1733 im Teatro San Bartolomeo, Neapel, als Zwischenakt zu Pergolesis Oper Il prigionier superbo
Ort der Handlung: ein bürgerliches Haus in Neapel
Zeit der Handlung: Gegenwart (um 1730)
Personen:
UBERTO, ein älterer Junggeselle, wohlhabend, aber eigensinnig (Bassbuffo)
SERPINA, seine Dienerin, jung, gewitzt und ehrgeizig (Sopran)
VESPONE, stummer Diener (Pantomimenrolle)
Inhalt
La serva padrona ist Pergolesis berühmtestes Bühnenwerk und gilt als Markstein der Operngeschichte. Ursprünglich nur als heiteres Intermezzo zwischen den Akten einer Opera seria gedacht, wurde es bald selbstständig aufgeführt und löste Jahrzehnte später in Paris den „Querelle des Bouffons“ aus – den Streit um die Vorherrschaft zwischen französischer und italienischer Oper.
Die Handlung ist schlicht, doch von pointierter Komik und subtiler Menschenbeobachtung getragen.
Im ersten Teil sieht man Uberto, den wohlhabenden Junggesellen, der von seiner Dienerin Serpina nach Strich und Faden kommandiert wird. Während er sich beklagt, sie sei aufmüpfig und respektlos geworden, führt Serpina das Haus bereits wie eine Herrin. Pergolesi gestaltet diese Szenen mit spritzigen Rezitativen und buffonesken Arien, die das ungleiche Machtverhältnis in hellem Glanz zeigen.
Serpina verfolgt jedoch ein klares Ziel: Sie will Uberto heiraten, um aus der Dienerin zur wahren „Padrona“ zu werden. Listig inszeniert sie eine Intrige. Sie täuscht vor, einen anderen Mann heiraten zu wollen, und benutzt dafür den stummen Diener Vespone, den sie in Militäruniform als vermeintlichen Bräutigam auftreten lässt.
Im zweiten Teil steigert sich die Komödie. Uberto gerät in Eifersucht und erkennt plötzlich, dass er Serpina liebt. In einer Mischung aus Zorn, Verwirrung und Leidenschaft singt er Arien, die seine Gefühlslage zwischen Komik und Ernst hin- und herreißen. Pergolesi verleiht diesen Szenen eine außergewöhnliche Lebendigkeit, die ganz aus dem Rhythmus der gesprochenen Sprache erwächst.
Schließlich gesteht Uberto Serpina seine Liebe und heiratet sie. Die Dienerin wird zur Herrin, und das Spiel von Macht und List löst sich in einem glücklichen Ende auf.
Musikalische Charakteristik
Pergolesi gelingt es in La serva padrona, die Typen der neapolitanischen Buffa auf höchstem Niveau zu gestalten. Uberto, der grummelnde alte Junggeselle, wird in sprunghaften, oft parodistisch überzeichneten Arien charakterisiert. Serpina dagegen erhält eine Musik von schlanker Eleganz und listiger Energie, die ihre Überlegenheit gegenüber Uberto unterstreicht. Das Fehlen langer Da-capo-Arien sorgt für raschen, theatralischen Fluss, während die Dialoge und Ensembles von komödiantischem Schwung getragen sind.
Mit diesem Werk wurde die Opera buffa aus dem Schatten der Intermezzi befreit und als eigenständiges Genre anerkannt. La serva padrona ist nicht nur ein Lustspiel, sondern ein musikalisches Porträt menschlicher Schwächen – in einer Klarheit und Ökonomie, die Pergolesis Genie auch nach fast drei Jahrhunderten unverwechselbar macht.
https://www.youtube.com/watch?v=NsUeywPFEgQ
7. Il prigionier superbo P. 143 (Neapel, Teatro San Bartolomeo, 28. August 1733)
Opera seria in drei Akten
Libretto von Gennaro Antonio Federico (1699–1745)
Uraufführung: 28. August 1733 im Teatro San Bartolomeo, Neapel – in derselben Vorstellung, in deren Zwischenakten das Intermezzo La serva padrona erklang
Ort der Handlung: ein mythisches thrakisches Königreich
Zeit der Handlung: antike Epoche
Personen:
PRIGIONE (ehemals König von Mauretania, gefangen – Tenor oder Bariton)
ROSBO, sein Rivale, der sich den Thron angeeignet hat (Bass)
VIRBINA, Tochter des Usurpators (Sopran)
ALBINA, Schwester des gefangenen Königs (Sopran)
FLAVIO, ein thrakischer Prinz (Tenor)
BIRILLO, Vertrauter und Komödiant (meist Nebenrolle, Bassbuffo)
Inhalt
Pergolesis zweite Opera seria wurde gleichzeitig mit dem berühmten Intermezzo La serva padrona uraufgeführt – doch während die Buffa Weltruhm erlangte, blieb Il prigionier superbo in Vergessenheit. Erst in den letzten Jahrzehnten wurde das Werk wiederentdeckt und erlaubt einen faszinierenden Blick auf Pergolesis ernstes dramatisches Schaffen.
Die Handlung kreist um die Figur des gefangenen Königs von Mauretania, der durch Stolz und Starrsinn ins Unglück gestürzt ist. Sein Rivale Rosbo hat den Thron an sich gerissen und hält den ehemaligen Herrscher gefangen. Zwischen den beiden Lagern entbrennt ein Kampf um Legitimität, Macht und Ehre.
Im ersten Akt wird die Ausgangssituation entfaltet: der stolze Gefangene, der sich weigert, sein Schicksal zu akzeptieren; Rosbo, der neue Herrscher, der seine Macht mit Härte verteidigt; und die Frauenfiguren Albina und Virbina, die zwischen Loyalität und Liebe stehen. Albina verkörpert die Standhaftigkeit der Familie des Gestürzten, während Virbina, Tochter des Usurpators, innere Zweifel hegt.
Der zweite Akt bringt die Konflikte in Bewegung. Intrigen und Liebesverwicklungen verschärfen die Lage: Virbina verliebt sich in Flavio, den thrakischen Prinzen, der versucht, eine Balance zwischen den Parteien zu finden. Pergolesi lässt die Figuren in scharf gezeichneten Arien auftreten, die ihre Seelenlagen enthüllen – Stolz, Ehrgeiz, Liebe, Verzweiflung.
Im dritten Akt erreicht die Spannung ihren Höhepunkt. Der gefangene König verweigert jede Demut und nimmt den Tod lieber in Kauf, als sich zu beugen. Doch letztlich führt die Verknüpfung von Liebe und Politik zu einer Versöhnung: Flavio vermittelt, Virbina entscheidet sich für den Weg der Gerechtigkeit, und Rosbo erkennt die Notwendigkeit, Frieden zu schließen. Die Oper endet in einer Apotheose, in der Ordnung und Harmonie wiederhergestellt sind.
Musikalische Charakteristik
Obwohl Il prigionier superbo nie den Ruhm von Pergolesis Buffa erreichte, zeigt es seine Meisterschaft im ernsten Fach. Die Arien sind dramatisch klar konturiert, weniger von barocker Virtuosität als von rhetorischer Schärfe bestimmt. Besonders die Partie des gefangenen Königs ist von stolzer Erhabenheit geprägt, während Rosbo mit finsteren, energischen Tönen charakterisiert wird. Die Frauenfiguren bringen lyrische Ruhepunkte ein: Albina mit edler Standhaftigkeit, Virbina mit empfindsamer Zerrissenheit.
Im Vergleich zu anderen Opera-seria-Komponisten seiner Zeit arbeitet Pergolesi ökonomisch: Er vermeidet überlange Da-capo-Arien und setzt stärker auf dramatische Stringenz. Schon hier deutet sich jene Klarheit und psychologische Präzision an, die ihn in der Buffa weltberühmt machte.
https://www.youtube.com/watch?v=t6isNC8cb8U
9. L’Oliviero, ohne Numer (Neapel, Teatro dei Fiorentini, 1737)
Opera buffa in drei Akten
Libretto von Antonio Palomba (1705–1761)
Uraufführung: 1737 im Teatro dei Fiorentini, Neapel
Ort der Handlung: ein Landgut in der Nähe Neapels
Zeit der Handlung: Gegenwart (um 1730)
Personen:
OLIVIERO, ein junger Edelmann (Tenor)
ROSINA, seine Geliebte (Sopran)
DON LUIGI, Rosinas Vater, pedantischer und starrsinniger Mann (Bassbuffo)
MARCELLINA, Vertraute Rosinas (Sopran)
GIULIO, Rivale Olivieros, von Don Luigi als Schwiegersohn gewünscht (Bariton)
VANNI, Diener und Intrigant (Bass)
Inhalt
L’Oliviero gehört zu Pergolesis späten komischen Opern und zeigt ihn auf der Höhe seiner Buffa-Kunst. Die Handlung knüpft an die vertrauten Muster der neapolitanischen Bühne an: eine Liebesgeschichte, bedroht durch väterliche Autorität und rivalisierende Bewerber, durchsetzt mit Intrigen, Verkleidungen und volkstümlichem Witz.
Im ersten Akt wird Oliviero als leidenschaftlicher junger Edelmann eingeführt, der Rosina liebt. Ihr Vater Don Luigi, ein typischer Bassbuffo, stellt sich jedoch quer: Er will seine Tochter lieber mit Giulio verheiraten, einem Bewerber von gesellschaftlich passender Stellung. Pergolesi zeichnet Don Luigi mit komischen Arien, die seinen Starrsinn karikieren – voller Sprünge, Silbenketten und selbstgefälliger Phrasen.
Rosina und Oliviero bleiben standhaft. Ihre Arien sind von lyrischer Innigkeit, die den Ernst ihrer Liebe unterstreicht. Marcellina, Rosinas Vertraute, fungiert als Kupplerin und treibt mit Witz und Energie die Handlung voran.
Der zweite Akt entfaltet die Intrigen. Vanni, der Diener, sorgt durch Verkleidungen und Täuschungen für Verwirrung: er imitiert Boten, führt falsche Nachrichten ein und bringt damit die Pläne Don Luigis durcheinander. Giulio versucht seinerseits, Rosina zu gewinnen, wird jedoch durch seine Eitelkeit und Ungeschicklichkeit komisch bloßgestellt.
Pergolesi steigert die komische Wirkung durch Ensembleszenen: lebhafte Duette und Terzette, in denen die Figuren durcheinanderreden, Missverständnisse eskalieren und schließlich alles im Chaos endet.
Der dritte Akt führt zur Auflösung. Oliviero beweist in einer Mischung aus Mut und List seine Aufrichtigkeit. Rosina hält an ihrer Liebe fest, während Don Luigi, von den Intrigen übertölpelt, schließlich einlenkt. Giulio zieht gedemütigt ab, Vanni wird mit Schlägen und Gelächter bestraft, und das Paar Oliviero–Rosina darf sich vereinen.
Musikalische Charakteristik
L’Oliviero ist ein Musterbeispiel für Pergolesis Buffa-Stil in seiner reifen Form. Die Figuren werden musikalisch scharf voneinander abgegrenzt: Don Luigi mit grotesk-komischen Arien, Oliviero und Rosina mit kantablen Liebesduetten, Giulio mit prahlerischer, aber hohler Virtuosität. Besonders die Ensembles zeigen Pergolesis Genie: sie sind lebendig, pointiert und fangen das Chaos der Bühne unmittelbar ein.
Mit diesem Werk setzte Pergolesi die Entwicklung der Opera buffa fort, die er mit Il Flaminio und La serva padrona geprägt hatte. Auch wenn L’Oliviero heute seltener aufgeführt wird, spürt man in ihm die Kraft und Leichtigkeit, die die neapolitanische Komödie bald europaweit triumphieren ließ.
Es gibt keine vollständige Aufnahme vonder Oper L’Oliviero.
10. Livietta e Tracollo P. 138 (Neapel, Teatro San Bartolomeo, 25. Oktober 1734)
Intermezzo in zwei Teilen
Libretto von Tommaso Mariani (1705–1755)
Uraufführung: 25. Oktober 1734 im Teatro San Bartolomeo, Neapel, als Intermezzo zur Oper Adriano in Siria
Ort der Handlung: ein italienisches Dorf
Zeit der Handlung: Gegenwart (um 1730)
Personen:
LIVIETTA, ein junges Mädchen (Sopran)
TRACOLLO, ein umherziehender Gauner, gewitzt und verschlagen (Bassbuffo)
FACCENDA, sein Komplize (stumme Rolle, manchmal weggelassen)
Inhalt
Livietta e Tracollo gehört zu den erfolgreichsten Intermezzi Pergolesis und wurde bald nach seiner Uraufführung in ganz Europa gespielt. In knappen, pointierten Szenen entfaltet es eine kleine Komödie, die den Gegensatz zwischen weiblicher Klugheit und männlicher List in humorvoller Schärfe vorführt.
Im ersten Teil erscheint Livietta verkleidet als feiner Herr („Stutzer“), um sich an dem Gauner Tracollo zu rächen, der sie einst betrogen und um ihr Geld gebracht hat. Tracollo selbst ist ebenfalls verkleidet – diesmal als schwangere Bettlerin, um neue Opfer zu täuschen. Die Begegnung der beiden führt zu einer Reihe von komischen Missverständnissen. Livietta durchschaut jedoch rasch die Maskerade und entlarvt Tracollo. Unter seinem Rock findet man gestohlene Waren, und er droht der Bestrafung. Um seiner Haut zu entgehen, erklärt er plötzlich, Livietta zu lieben, und verspricht sogar, sie zu heiraten. Sie weist ihn zurück und lässt ihn abführen – doch nicht ohne spürbare innere Regung.
Der zweite Teil setzt den Spaß fort. Tracollo kehrt zurück, diesmal in der Verkleidung eines Astrologen. Mit neuen Schwindeleien versucht er, Livietta zu täuschen, doch sie durchschaut ihn abermals. Als er vorgibt, wahnsinnig geworden zu sein, schleppt er sie in wilder Komik über die Bühne, bis sie ohnmächtig zusammenbricht. Tracollo glaubt, sie getötet zu haben, bricht in Verzweiflung aus und gesteht ihr seine wahre Liebe. In diesem Augenblick erwacht Livietta wieder – und stellt ihn auf die Probe: Sie willigt in die Hochzeit ein, um seine Gefühle zu prüfen. Am Ende triumphiert die List des Mädchens über die Tricks des Gauners, und beide feiern ein gemeinsames, wenn auch ironisch eingefärbtes Happy End.
Musikalische Charakteristik
Pergolesi gestaltet das Intermezzo mit jener Ökonomie und Lebendigkeit, die sein komisches Schaffen unsterblich gemacht haben. Die Rezitative sind knapp, voller Witz und natürlicher Sprache. Die Arien wechseln zwischen buffonesker Virtuosität (Tracollo in seinen grotesken Verkleidungen) und liebenswürdiger Kantabilität (Liviettas gesungene List und ihr feines Spottlied). Besonders das Duett am Schluss zeigt Pergolesis Genie für musikalische Dialoge: rasch wechselnde Rhythmen, übermütige Melodien, ein Spiel zwischen Ernst und Komik.
So steht Livietta e Tracollo in einer Linie mit La serva padrona: eine kleine, präzise musikalische Komödie, die mit minimalen Mitteln menschliche Schwächen bloßlegt – und zugleich die Geburt der Opera buffa als eigenständiges Genre vorbereitet.
https://www.youtube.com/watch?v=HGezHunFWWk
GEISTLICHE WERKE
1. Stabat Mater in f-Moll, P. 77
Komponiert im Jahr 1736, in den letzten Lebensmonaten des Komponisten († 16. März 1736), während einer schweren Tuberkuloseerkrankung, in einem Franziskanerkloster nahe Pozzuoli, für die neapolitanische Laienbruderschaft Cavalieri della Vergine dei Dolori di San Luigi al Palazzo – als Ersatz der älteren Version von Alessandro Scarlatti.
Gesang: Sopran- und Alt-Solist (ursprünglich Castraten)
Instrumental: zwei Violinen, Viola, Basso continuo (Cembalo/Orgel und Violoncello)
Das Werk ist in zwölf nummerierte Abschnitte (manchmal dreizehn inkl. Amen) gegliedert, abwechselnd Duetten und Solo-Arien, jeweils eng an den lateinischen Text der Sequenz angelehnt.
Eine Musik von bewusster Sparsamkeit: reduzierte, aber emotional intensive Satzlichkeit, die den Text mit größter Raffinesse beleuchtet.
Pergolesi findet in F-Moll eine Klangwelt, die Wehmut und Tiefenversenkung zugleich atmet.
Der rätselhaften Direktheit des musikalischen Ausdrucks verdankt das Werk seine eindringliche Wirkung – Rousseau nannte das erste Duett den "vollkommensten und ergreifendsten, der je von der Hand eines Komponisten gesungen wurde".
Kurz nach Pergolesis Tod wurde das Stabat Mater äußerst populär, besonders auch in Frankreich: 1752 erstmals beim Concert Spirituel in Paris aufgeführt, entwickelte es sich rasch zum Referenzwerk barocker Sakralmusik.
Jean-Jacques Rousseau (1712 – 1778) lobte es hoch; Bach verwendete es als Vorlage für seine Kantate Tilge, Höchster, meine Sünden (BWV 1083).
Kritiker wie Giovanni Battista Martini (1706 – 1784) bemängelten den leicht operettenhaften Tonfall – eine polemische Haltung gegenüber dem damals sich durchsetzenden neapolitanischen Sentimento.
Stabat Mater ist keine übliche Kirchenmusik, sondern ein zutiefst menschliches Sakraldrama. Die reduzierte Besetzung verleiht jeder Stimme Intimität und Nähe. Pergolesi weiß mit äußerster Einfachheit Spannung aufzubauen – etwa wenn verharrende Linien im Sopran durch gebrochene Harmonien eine archaische Schärfe gewinnen, oder im Alt die Wendung zur Melancholie scheinbar mühelos gelingt. Die Dialoge zwischen Sopran und Alt sind wie liturgische Gebete, in denen jede Nuance, jede Pause und jeder tragende Ton Gewicht besitzt.
Der Text:
1. Stabat Mater dolorosa (Duett, Sopran & Alt)
Latein:
Stabat Mater dolorosa
iuxta crucem lacrimosa,
dum pendebat Filius.
Deutsch:
Es stand die Mutter schmerzerfüllt,
mit Tränen, voller Leid erfüllt,
dicht bei dem Kreuz, daran ihr Sohn.
Pergolesi eröffnet mit einem zarten Duett, das in f-Moll von inniger Trauer erfüllt ist. Die beiden Stimmen verschränken sich wie Klagelaute zweier Seelen, die sich im Schmerz vereinen. Schon Rousseau bewunderte diese Einleitung als „vollkommensten und ergreifendsten Gesang“. Hier wird die Grundstimmung des Werkes gesetzt: Intimität statt Monumentalität, menschliches Leiden statt fernes Dogma.
2. Cuius animam gementem (Arie, Alt)
Latein:
Cuius animam gementem,
contristatam et dolentem,
pertransivit gladius.
Deutsch:
Die Seele, die sie klagend barg,
durchdrang das Schwert, das ihr zum Arg,
durchbohrte sie, die Mutter schon.
Die Alt-Arie malt die Qual Mariens mit stockender Melodik und wehmütigen Dissonanzen. Der Bogen der Melodie wirkt wie ein tiefer Seufzer, der immer wieder zu Boden sinkt. Der Schmerz ist nicht äußerlich, sondern innerlich durchlebt.
3. O quam tristis et afflicta (Arie, Sopran)
Latein:
O quam tristis et afflicta
fuit illa benedicta
mater Unigeniti.
Deutsch:
O wie betrübt und voller Pein
musst’ diese Mutter Marien sein,
des eingebor’nen Sohnes Mutter!
Die Sopranarie bringt eine fast kindlich klare Linie, deren Reinheit selbst das Leiden verklärt. Über einer schlichten Begleitung schwebt die Stimme wie ein verhaltenes Weinen, das in den Himmel gehoben wird.
4. Quae moerebat et dolebat (Arie, Alt)
Latein:
Quae moerebat et dolebat,
pia Mater, dum videbat
nati poenas incliti.
Deutsch:
Wie trauerte sie, wie sie litt,
die fromme Mutter, als sie stritt,
ihr hochgepries’nes Kind zu hüten.
Hier steigert Pergolesi den Affekt: die Altstimme entfaltet eine intensivere Linie, in der Tränen und Glauben zugleich klingen. Das Leid der Mutter wird universell, ein Symbol für alle menschliche Trauer.
5. Quis est homo qui non fleret (Duett)
Latein:
Quis est homo qui non fleret,
matrem Christi si videret
in tanto supplicio?
Deutsch:
Wer könnte, der den Schmerz verstünd’,
den Jesus’ Mutter dort voll Glut
im Leid so groß erblicken?
Ein bewegtes Duett, rhetorisch fragend. Sopran und Alt werfen sich die Klage zu wie zwei Stimmen der Menschheit. Es ist nicht mehr nur Mariens Schmerz, sondern die Frage an jeden Zuhörer: Kann man hier unberührt bleiben?
6. Vidit suum dulcem natum (Duett)
Latein:
Vidit suum dulcem natum
morientem, desolatum,
dum emisit spiritum.
Deutsch:
Sie sah den lieben Sohn vergeh’n,
den Tod, den er allein muss seh’n,
wenn er den Geist aufgibt in die Bahn.
Ein Duett von erschütternder Ruhe. Die Stimmen verlaufen parallel, als wollten sie das Sterben Jesu selbst musikalisch begleiten. Die Einfachheit des Satzes ist hier der Schlüssel: weniger Oper, mehr kontemplatives Gebet.
7. Eja Mater, fons amoris (Arie, Sopran)
Latein:
Eja, Mater, fons amoris,
me sentire vim doloris
fac, ut tecum lugeam.
Deutsch:
O Mutter, Quell der Lieb’ und Zier,
lass mich dein Leiden fühlen hier,
dass ich mit dir bewein’.
Der Sopran bittet um Teilhabe am Schmerz. Pergolesi legt eine fast tänzerische Figur unter die Bitte – nicht weltlich, sondern innig, als ob in der Bewegung des Herzens ein Gebet geboren würde.
8. Fac ut ardeat cor meum (Arie, Alt)
Latein:
Fac ut ardeat cor meum
in amando Christum Deum,
ut sibi complaceam.
Deutsch:
Lass mein Herz brennen hell und klar,
Christus, meinen Gott, zu lieben gar,
dass er mir gnädig sei.
Die Alt-Arie klingt wie ein inneres Gelöbnis: eine warme, aufwärtsstrebende Linie, die zu einer Art musikalischem Credo wird.
9. Sancta Mater, istud agas (Duett)
Latein:
Sancta Mater, istud agas,
crucifixi fige plagas
cordi meo valide.
Deutsch:
Heil’ge Mutter, tu dies Werk,
fest an mein Herz das Kreuzwerk sterk,
die Wunden deines Sohns.
Ein Duett von drängender Inbrunst. Die Stimmen verschränken sich, fast wie eine Umarmung des Kreuzes.
10. Fac ut portem Christi mortem (Arie, Alt)
Latein:
Fac ut portem Christi mortem,
passionis fac consortem,
et plagas recolere.
Deutsch:
Lass mich den Tod des Christus tragen,
sein Leiden mich begleiten, sagen,
und seine Wunden all bedenken.
Ein kontemplatives, beinahe rezitativisches Arioso. Der Alt bittet nicht um äußere Kraft, sondern um die innere Gnade des Mit-Leidens.
11. Fac me plagis vulnerari (Arie, Sopran)
Latein:
Fac me plagis vulnerari,
cruce hac inebriari,
ob amorem Filii.
Deutsch:
Lass mich durch seine Wunden leiden,
am Kreuz so in Ekstase gleiten,
durch die Liebe zu seinem Sohn.
Ein Sopran-Solo, das fast ekstatisch wirkt. Die Linie scheint sich aufzuschwingen, als wolle sie ins Überirdische entgleiten.
12. Quando corpus morietur / Amen (Duett)
Latein:
Quando corpus morietur,
fac ut animae donetur
paradisi gloria.
Deutsch:
Wenn mein Leib dereinst stirbt hin,
dass meiner Seele Gnade gewinnt,
des Paradieses Ehre fein.
Das Werk schließt in einem großen, strahlenden Amen. Sopran und Alt vereinigen sich, und über einem lebhaften, fast jubelnden Bass entfaltet sich ein Schluss von festlicher Helligkeit. Es ist nicht mehr Klage, sondern Verheißung: die Gewissheit des Paradieses.
https://www.youtube.com/watch?v=qzOmPUu-F_M
oder
https://www.youtube.com/watch?v=gFMMBoazH4Q
2. Messa di San Emidio
Messe in F-Dur
Katalognummer: P. 47
Komponiert im Dezember 1732, Nach einem schweren Erdbeben in Neapel am 29. November 1732 ordnete der Kardinal Francesco Pignatelli (1652–1734), Erzbischof von Neapel 1703–1734, im Dezember 1732 eine jährliche Festmusik zu Ehren des Erdbebenpatrons Heiligen Emidius von Ascoli (wahrscheinlich im Jahr 303 n. Chr., als Märtyrer hingerichtet), an. Auch im Dezember 1732 erschütterte noch einmal ein schweres Erdbeben weite Teile Kampaniens und forderte zahlreiche Opfer. In Neapel selbst blieben die Zerstörungen vergleichsweise gering, was von der Bevölkerung als besondere Fügung Gottes verstanden wurde. Der amtierende Erzbischof, Kardinal Francesco Pignatelli reagierte darauf mit einer zweite Verfügung, die künftig jedes Jahr eine festliche Musik zu Ehren des heiligen Emidius von Ascoli, des als Erdbebenpatron verehrten Schutzheiligen, vorsah. Das Manuskript trägt Pergolesis Widmung: “Finis. Laus Deo Beateque Virgini Mariae, et Beato Emigdio.” = „Ende. Lob sei Gott, der seligen Jungfrau Maria und dem heiligen Emidius.“
Die erste dokumentierte Aufführung geschah noch zu Lebzeiten des Komponisten.
Besetzung:
Sopran, Alt (je nach Fassung), 2 Chöre, 2 Orchestergruppen, Continuo – eine für Pergolesi üppige Besetzung, Ausdruck eines prächtigen liturgischen Stils.
Typischer Aufbau: Kyrie, Gloria, vermutlich weitere Teile der Messe (z. B. Credo, Sanctus, Agnus Dei – jedoch nicht vollständig überliefert).
Die Stimmung ist festlich und zugleich anmutig: das „Kyrie“ im YouTube-Beispiel wirkt nahezu sakral im Venezia-Stil, mit klaren Linien, fein ausbalanciertem Chor und orchestraler Transparenz.
Die Messe zeigt Pergolesis Beherrschung barocker Messeform – mit zartem Choreinsatz, eleganter Melodik und einer klangsinnlichen Balance zwischen Liturgie und Konzert. Diese Kombination vermittelt eine Nähe zur Opera serena, ohne jedoch in die Opernwelt überzugehen. Die doppelte Chor- und Orchesterbesetzung unterstreicht festliche Bedeutung der Messfeier.
CD Abbado A-Z, Mussorgsky – Pergolesi, Coro della Radio Svizzera unter der Leitung von Diego Fasolis (* 1958), Deutsche Grammophon GmbH, Berlin 2010 (Tracks 99 bis 110):
https://www.youtube.com/watch?v=Ks1xDDbn914&list=OLAK5uy_mvsq78NO6XDV6NGaoJuLeV0o3-fWwisHI&index=99
oder
https://www.youtube.com/watch?v=a5DPPfMOeMA
3. Missa Romana in D-Dur, P. 46
CD Messe in D-Dur und Motette "Dignas laudes resonemus"
https://www.youtube.com/watch?v=xleVjnJ4o0Q&list=OLAK5uy_l1do6xzO9LFkECgUF6Gs9PJ2wZ4a2m5vg&index=2
Gattung: Messe für zwei Chöre und Orchester
Entstehung: 1731, wahrscheinlich in Neapel für eine festliche Liturgie komponiert
Besetzung: zwei fünfstimmige Chöre (SSAAB und SSTTB), Solisten, Orchester mit Streichern, Oboen, Trompeten und Basso continuo
Die Messe ist in der Tradition der neapolitanischen Festmesse gehalten: prächtig, vielstimmig, reich instrumentiert.
Das Auffälligste ist die Verwendung zweier fünfstimmiger Chöre, die dialogisch einander gegenübergestellt sind. Diese Mehrchörigkeit erinnert an die venezianische Tradition (Gabrieli, Lotti), die im 18. Jahrhundert auch in Neapel geschätzt wurde.
Die einzelnen Ordinariumsteile (Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus, Benedictus, Agnus Dei) wechseln zwischen prachtvollen Chören und lyrischen Soli.
Kyrie: Festlicher Duktus, in dem die beiden Chöre wie zwei große Klangblöcke einander antworten.
Gloria: reich gegliedert, voller Kontraste, von jubelnden Chören bis zu empfindsamen Soli („Qui tollis peccata mundi“).
Credo: monumentale Anlage mit fugierten Abschnitten („Et vitam venturi saeculi“).
Sanctus/Benedictus: Wechsel von feierlicher Erhabenheit und inniger Melodik.
Agnus Dei: bringt eine kontemplative Ruhe, bevor die Messe in strahlendem Jubel endet.
Die Messa in D-Dur verbindet neapolitanische Eleganz mit kontrapunktischer Strenge. Sie zeigt Pergolesi in der Auseinandersetzung mit älteren barocken Traditionen, noch vor der empfindsamen Schlichtheit des späteren Stabat Mater. In ihr begegnen sich die prächtige Festlichkeit des 17. Jahrhunderts und die neue melodische Klarheit des 18.
Die Messe wurde im 18. Jahrhundert hochgeschätzt und gilt heute als eines der bedeutendsten liturgischen Werke Pergolesis. Auch wenn sie im Schatten des Stabat Mater steht, ist sie für Aufführungen barocker Chormusik ein beliebtes Repertoirestück.
Motette "Dignas laudes resonemus"
Motette „Dignas laudes resonemus“
Die Motette „Dignas laudes resonemus“ wird Giovanni Battista Pergolesi zugeschrieben, doch es gibt Unsicherheiten hinsichtlich der Echtheit des Werks. Sie stammt aus dem frühen 18. Jahrhundert und steht in Zusammenhang mit Pergolesis kirchenmusikalischem Schaffen.
Der Text der Motette:
Teil 1
„Lasst uns würdige Lobgesänge erklingen lassen,
zu Ehren des höchsten Gottes.
Lobpreiset seinen heiligen Namen,
denn seine Güte währt ewig.
Freuet euch im Herrn, ihr Gerechten,
singet ihm ein neues Lied.“
2. "O me felicem" (O wie glücklich bin ich): In diesem Abschnitt reflektiert der Text über das persönliche Glück und die Wohltaten Gottes. Es wird das Gefühl von Dankbarkeit und Freude über die empfangenen Gaben betont.
3. "Sto in calma summae pacis" (Ich stehe in der Ruhe des höchsten Friedens): Hier wird ein Zustand innerer Ruhe und Frieden angesprochen. Der Text beschreibt, wie der Gläubige in der höchsten Friedlichkeit verharren kann, ohne innere Unruhe.
4. "O Virgo dolorosa" (Oh, schmerzhafte Jungfrau): Dieser Teil thematisiert die Schmerzen und das Leid der Jungfrau Maria, insbesondere in Hinblick auf das Leiden ihres Sohnes. Es ist eine sehr emotionale Reflexion über Marias Trauer.
5. "Quot procellae, quot horrores" (Wie viele Stürme, wie viele Schrecken): Der Text spricht von den vielen Stürmen und Schrecken, denen man im Leben begegnet. Es wird betont, dass trotz dieser Herausforderungen Trost zu finden ist.
6. "O sacra et vera fides" (Oh, heiliger und wahrer Glaube): An dieser Stelle wird der Glauben als heilig und wahr beschrieben. Der Text feiert die Stärke des Glaubens und die Hoffnung, die daraus erwächst.
7. "In ipsa laeta spero" (In ihr hoffe ich fröhlich): In diesem Teil wird die Hoffnung, die im Glauben gefunden wird, thematisiert. Der Gläubige spricht von einer freudigen Erwartung des zukünftigen Glücks.
8. "O praesidium suave" (O sanfter Schutz): Hier wird das Bild eines sanften Schutzes erwähnt. Der Text spricht von der Geborgenheit, die der Gottgläubige im Glauben findet.
9. "Te Fili contemplando" (Dich, Sohn, betrachtend): In diesem Abschnitt wird die Verehrung des Sohnes (Jesus Christus) hervorgehoben. Der Gläubige meditiert über die Schönheit und die Eigenschaften Christi.
10. "Dignas laudes resonemus II" (Lasst uns würdige Lobgesänge erklingen lassen II): Der Schlussteil wiederholt das Thema der Anbetung und des Lobes Gottes und bringt die Motette zu einem feierlichen Abschluss.
4. Magnificat in C-Dur, P. 78
Das Magnificat, der Lobgesang Mariens aus dem Lukasevangelium, ist einer der ältesten Hymnen der christlichen Tradition. Pergolesi, selbst noch fast ein Knabe, als er das Werk schrieb, hat diesem uralten Text eine Musik gegeben, die gleichermaßen schlicht und überwältigend ist. Entstanden ist das Werk wohl zwischen 1731 und 1732 in Neapel, vermutlich im Auftrag einer kirchlichen Institution, die für ihre feierlichen Vespern ein neues musikalisches Kleid verlangte.
Besetzung: Sopran-, Alt-, Tenor- und Bass-Solisten, vierstimmiger Chor, Streicher, Basso continuo – Pergolesi wählt eine kammermusikalisch anmutende Besetzung, doch die Musik strahlt eine erstaunliche Größe aus.
Das Werk gliedert sich in mehrere Abschnitte, die den einzelnen Versen des Magnificat-Textes folgen. Pergolesi kombiniert Soloarien, Duette und Chorpartien zu einem Wechselspiel von persönlicher Innigkeit und gemeinschaftlichem Jubel.
Magnificat anima mea Dominum – Das Werk beginnt strahlend in C-Dur, mit klarer, festlicher Harmonik. Der Chor erhebt den Lobgesang wie ein feierlicher Ruf in die Welt.
Et exsultavit spiritus meus – eine Sopran-Arie voller Leichtigkeit, fast wie ein inniges Lächeln im Klang.
Quia respexit humilitatem – eine zarte Alt-Arie, die Mariens Demut musikalisch einfängt.
Fecit potentiam – kontrastreich, dramatisch, fast wie eine kleine Kantate im Werk.
Gloria Patri – das abschließende „Amen“ bringt eine strahlende Doppelfuge, in der Pergolesi seine kontrapunktische Meisterschaft zeigt.
Was dieses Magnificat so einzigartig macht, ist die Mischung aus jugendlicher Frische und liturgischer Würde. Pergolesi war noch kaum zwanzig Jahre alt, als er es komponierte, und doch gelingt ihm eine Musik, die gleichermaßen schlicht und von innerer Glut erfüllt ist. Jeder Abschnitt ist durchzogen von melodischer Klarheit, wie sie typisch für die neapolitanische Schule ist, aber auch von einer leisen Empfindsamkeit, die schon in Richtung Klassik weist.
Wo ältere Komponisten wie Alessandro Scarlatti oft noch den Prunk der barocken Prachtentfaltung pflegten, wählt Pergolesi eine andere Sprache: reduzierter, unmittelbarer, menschlicher. Das Magnificat ist kein theatralisches Spektakel, sondern eine leuchtende Meditation – getragen von dem Vertrauen, dass Lob und Demut im Herzen Mariens eins sind.
Hört man dieses Werk, so scheint es, als würde der junge Pergolesi sein eigenes Herz hineinlegen. Er, der von Krankheit gezeichnete, noch kaum ins Leben hineingetretene Komponist, hat einen Gesang der Freude geschrieben, der zugleich den Schatten der Vergänglichkeit kennt. Die klare Helligkeit von C-Dur ist kein lauter Triumph, sondern eine stille, innere Sonne. In jedem Takt klingt eine Gewissheit, die größer ist als der einzelne Mensch: dass Demut zur Erhebung führt, und dass in der Schwäche die wahre Kraft liegt.
So bleibt Pergolesis Magnificat eine der schönsten Miniaturen der italienischen Kirchenmusik – ein Werk von jugendlicher Reinheit, in dem man schon die spätere Stimme des Stabat Mater hört, nur diesmal nicht in Tränen, sondern im Lächeln des Glaubens.
https://www.youtube.com/watch?v=Go5DhHkoIWM
Lateinischer Text (Vulgata, Lukasevangelium 1, 46–55):
Magnificat anima mea Dominum,
et exsultavit spiritus meus in Deo salutari meo.
Quia respexit humilitatem ancillae suae:
ecce enim ex hoc beatam me dicent omnes generationes.
Quia fecit mihi magna, qui potens est,
et sanctum nomen eius.
Et misericordia eius a progenie in progenies
timentibus eum.
Fecit potentiam in brachio suo:
dispersit superbos mente cordis sui.
Deposuit potentes de sede,
et exaltavit humiles.
Esurientes implevit bonis,
et divites dimisit inanes.
Suscepit Israel puerum suum,
recordatus misericordiae suae,
sicut locutus est ad patres nostros,
Abraham et semini eius in saecula.
Gloria Patri, et Filio,
et Spiritui Sancto.
Sicut erat in principio, et nunc, et semper,
et in saecula saeculorum. Amen.
Deutsche Übersetzung:
Meine Seele preist den Herrn,
und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.
Denn er hat die Niedrigkeit seiner Magd angesehen:
siehe, von nun an preisen mich selig alle Geschlechter.
Denn Großes hat an mir getan der Mächtige,
und heilig ist sein Name.
Und sein Erbarmen währt von Geschlecht zu Geschlecht
über alle, die ihn fürchten.
Er hat Macht vollbracht mit seinem Arm:
er hat die Stolzen in ihrem Herzen zerstreut.
Er hat die Mächtigen vom Thron gestürzt
und die Niedrigen erhöht.
Die Hungernden hat er mit Gütern erfüllt,
und die Reichen leer ausgehen lassen.
Er hat sich seines Dieners Israel angenommen
und seines Erbarmens gedacht,
wie er es unseren Vätern verheißen hat,
Abraham und seinen Nachkommen in Ewigkeit.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn
und dem Heiligen Geist.
Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit
und in Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.
5. Confitebor tibi, Domine, P. 63
Gattung: Psalmvertonung (Confitebor tibi Domine, Psalm 110, Vulgata)
Entstehung: um 1732–1733, Neapel
Besetzung: Solostimmen, vierstimmiger Chor (SATB), Streicher, Basso continuo
Das Confitebor tibi Domine ist eine jener großangelegten Psalmenvertonungen, die in Neapel für die Vespern hoher kirchlicher Feste gebraucht wurden. Pergolesi knüpft dabei an eine Tradition an, die bereits von Komponisten wie Alessandro Scarlatti und Francesco Durante geprägt war: dem lateinischen Psalmentext eine Folge kontrastierender Abschnitte zu geben, die zwischen strenger Polyphonie, concertanten Soli und jubelnden Chören wechseln.
Das Werk dürfte für den liturgischen Gebrauch in einer neapolitanischen Kirche entstanden sein – vielleicht für eine Vesper der Karmeliter oder der Franziskaner, bei denen Pergolesi häufig tätig war.
Confitebor tibi Domine in toto corde meo, in consilio iustorum et congregatione.
Ich will dir danken, o Herr, von ganzem Herzen, im Kreis der Gerechten und in der Gemeinde.
Das Werk eröffnet feierlich: ein strahlender Chorsatz, der von Anfang an eine Atmosphäre der Festlichkeit schafft. Pergolesi verbindet hier barocke Pracht mit der Eleganz seines melodischen Erfindens.
Magna opera Domini: exquisita in omnes voluntates eius.
Groß sind die Werke des Herrn, kostbar in allem, was er will.
Ein leichter, tänzerischer Abschnitt, fast wie eine Gavotte: hier zeigt sich die Eleganz des neapolitanischen Stils.
Confessio et magnificentia opus eius: et iustitia eius manet in saeculum saeculi.
Hoheit und Pracht ist sein Werk, und seine Gerechtigkeit bleibt ewig.
Die Musik nimmt einen ernsteren Ton an: eine langsame, feierliche Arie, in der der Text zu innerem Gebet wird.
Memoriam fecit mirabilium suorum: misericors et miserator Dominus.
Ein Gedächtnis seiner Wunder hat er gestiftet; barmherzig und gnädig ist der Herr.
Hier erklingt eine innige Alt-Arie mit sanftem Continuo, die fast opernhaft empfindsam wirkt, doch in ihrer Schlichtheit dem sakralen Rahmen treu bleibt.
Escam dedit timentibus se: memor erit in saeculum testamenti sui.
Speise gab er denen, die ihn fürchten; seines Bundes wird er ewig gedenken.
Ein lebhaftes Allegro: die Stimmen wechseln sich ab, als wollten sie einander den Lobpreis zuspielen.
Virtutem operum suorum annuntiabit populo suo.
Die Kraft seiner Werke verkündet er seinem Volk.
Ein kräftiger Chorsatz, voller Energie, wie eine kleine Fanfare des Glaubens.
Fidelia omnia mandata eius: confirmata in saeculum saeculi, facta in veritate et aequitate.
Alle seine Gebote sind treu; sie sind fest für immer und ewig, geschaffen in Wahrheit und Gerechtigkeit.
Ein kontrapunktischer Abschnitt: hier zeigt Pergolesi seine Gelehrsamkeit, fast wie eine Verbeugung vor der strengen Kirchenstil-Tradition.
Redemptionem misit populo suo: mandavit in aeternum testamentum suum.
Erlösung sandte er seinem Volk; er hat seinen Bund auf ewig verordnet.
Der Ton wird feierlicher, ernster: ein Satz von ruhiger Erhabenheit.
Sanctum et terribile nomen eius: initium sapientiae timor Domini.
Heilig und furchtbar ist sein Name; die Furcht des Herrn ist der Anfang der Weisheit.
Ein machtvoller Chorsatz, in dem Pergolesi die Kraft der Ehrfurcht spürbar macht.
Intellectus bonus omnibus facientibus eum: laudatio eius manet in saeculum saeculi.
Verstand ist gut für alle, die ihm gehorchen; sein Lob bleibt in Ewigkeit.
Ein freudiges Allegro, das in ein festliches Gloria Patri übergeht.
Gloria Patri et Filio et Spiritui Sancto.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.
Sicut erat in principio, et nunc, et semper, et in saecula saeculorum. Amen.
Wie im Anfang, so auch jetzt und immer, und in Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.
Das Werk endet in einer prächtigen Doppelfuge, die den Jubel der Gemeinde musikalisch krönt.
Das Confitebor tibi, Domine ist eines jener Werke, in denen Pergolesi zwischen Tradition und Moderne balanciert. Einerseits zeigt er sich als Erbe des neapolitanischen Spätbarocks – kontrapunktisch geschult, in der Liturgie verwurzelt. Andererseits spürt man bereits die Empfindsamkeit, die sein Stabat Mater weltberühmt machen sollte: einfache, fast volkstümliche Melodien, die das Herz unmittelbar ansprechen.
Die Wirkung ist überwältigend: eine Musik, die nicht prunken will, sondern berührt; die im Wechsel von Jubel und Innigkeit den Psalm in leuchtende Klangfarben übersetzt.
https://www.youtube.com/watch?v=8bQ_v2Amc5k
Die Eröffnung „Confitebor tibi Domine“ erklingt mit beeindruckendem Chorsatz, der sofort eine Atmosphäre feierlicher Andacht vermittelt. Wie ein geistlicher Schrei des Dankes legt Pergolesi seine melodischen Linien in festem, doch klar artikuliertem Verlauf aus – kein pathosverzehrender Prunk, sondern bewusst reduzierte Feier.
Mit Magna opera Domini... wechselt er in tänzerische Eleganz: eine Sopranarie, leicht und umarmend im Klang, als wollte sie den Psalm in menschliches Lächeln übersetzen. Dann aber wandelt sich der Ton ins Innige: Confessio et magnificentia opus eius... erklingt in kontemplativer Ruhe – das Wort wird zu einem Licht, das in der Stille strahlt.
Das Werk entfaltet sich als großes Wechselspiel – kraftvoll blickend auf Gottes Größe, sanft verweilend bei seiner Verheißung und Erbarmung. Pergolesi nutzt hier sowohl Tradition wie rhetorisch bewegte Kontrapunktik als auch Konzertsätzen, deren Klang von menschlicher Nähe und spiritueller Klarheit zugleich erfüllt ist.
6. Dixit Dominus, P. 66 (!)
Gattung: Psalmvertonung (Dixit Dominus, Psalm 109, Vulgata)
Entstehung: Vermutlich 1730–1732, Neapel – genaue Umstände sind unsicher, aber der Stil zeigt frühe Neapolitanische Kirchenmusik.
Besetzung: Solisten (SATB), vierstimmiger Chor, Orchester (Streicher, Oboen, Basso continuo), evtl. Trompeten bzw. Trommeln für festliche Wirkung.
Das Dixit Dominus beginnt mit einem Glockenruf der Chöre – mächtig, triumphal, in starker Harmonie. Pergolesi eröffnet mit einem Aufschrei der Herrlichkeit Gottes, der Text „Dixit Dominus Domino meo: sede a dextris meis“ wird musikalisch mit kraftvollen, kantablen Linien übersetzt. Es ist ein Gebet und ein feierliches Ausrufen zugleich.
Im weiterem Verlauf bietet das Werk eine dramatische Vielfalt:
Wechsel von feierlichen Chören und expressiven Soli („Juravit Dominus ...“),
volkstümlich inspirierte Arien mit tänzerischer Leichtigkeit (*„Corona virtutis ...“),
kontrapunktische Chorsätze mit solemnem Ernst (*„Gloria Patri ...“).
Im Abschluss steigert sich das Werk in einem jubelnden “Gloria Patri“, oft mit Doppelfuge, das die gesamte Klangwelt im höchsten Glanz vereint.
In diesem Dixit Dominus klingt noch nicht die introspektive Ruhe des späteren Stabat Mater, sondern die jugendliche Pracht eines Komponisten, der seine Stimme und seinen Glauben feiert. Jeder Satz klingt wie ein Festzug – nicht pompös, aber strahlend, überzeugend, voller Zuversicht.
Pergolesi zeigt hier, wie man heilige Texte nicht bloß mitsingt, sondern sie mit klanglicher Farbe erfüllt. Er schreibt keine Kirchenmusik von gestern, sondern eine, die heute noch leuchtet.
CD Abbado A-Z: Mussorgsky – Pergolesi, Orchestra Mozart unter der Leitung von Claudio Abbado (1933 – 2014) und Coro della Radiotelevisione Svizzera di Lugano, Deutsche Grammophon GmbH, Berlin 2010 (Tracks 142 bis 148):
https://www.youtube.com/watch?v=gtnTw1-4ih8&list=OLAK5uy_mvsq78NO6XDV6NGaoJuLeV0o3-fWwisHI&index=142
Lateinischer Text:
Dixit Dominus Domino meo:
Sede a dextris meis:
donec ponam inimicos tuos,
scabellum pedum tuorum.
Virgam virtutis tuae emittet Dominus ex Sion:
dominare in medio inimicorum tuorum.
Tecum principium in die virtutis tuae
in splendoribus sanctorum:
ex utero ante luciferum genui te.
Juravit Dominus, et non paenitebit eum:
Tu es sacerdos in aeternum
secundum ordinem Melchisedech.
Dominus a dextris tuis,
confringet in die irae suae reges.
Judicabit in nationibus, implebit ruinas:
conquassabit capita in terra multorum.
De torrente in via bibet:
propterea exaltabit caput.
Gloria Patri, et Filio,
et Spiritui Sancto.
Sicut erat in principio, et nunc, et semper,
et in saecula saeculorum. Amen.
Deutsche Übersetzung:
Der Herr sprach zu meinem Herrn:
Setze dich zu meiner Rechten,
bis ich deine Feinde hinlege
als Schemel für deine Füße.
Den Herrscherstab deiner Macht sendet der Herr aus Zion:
Herrsche inmitten deiner Feinde.
Dein ist die Herrschaft am Tage deiner Macht,
im Glanz der Heiligen:
aus dem Schoß vor dem Morgenstern habe ich dich gezeugt.
Der Herr hat geschworen und es reut ihn nicht:
Du bist Priester in Ewigkeit,
nach der Ordnung Melchisedechs.
Der Herr zu deiner Rechten
wird Könige zerschmettern am Tage seines Zorns.
Er richtet unter den Nationen, häuft die Toten:
zerschmettert die Häupter auf weiter Erde.
Aus dem Bach am Weg wird er trinken:
darum wird er das Haupt erheben.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn
und dem Heiligen Geist.
Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit
und in Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.
7. Salve Regina in c-Moll, P. 76a
Gattung: Marienantiphon für Sopran (oder Alt) und Orchester
Entstehung: um 1735/36 in Neapel, vermutlich für eine Marienandacht in der Karwoche oder zu Ehren der „Madonna Addolorata“.
Besetzung: Solostimme, Streicher und Basso continuo
Lateinischer Text und deutsche Übersetzung:
Salve, Regina, mater misericordiae; vita, dulcedo, et spes nostra, salve.
Sei gegrüßt, Königin, Mutter der Barmherzigkeit; unser Leben, unsere Süße und unsere Hoffnung, sei gegrüßt.
Ad te clamamus exsules filii Hevae.
Zu dir rufen wir, die verbannten Kinder Evas.
Ad te suspiramus, gementes et flentes in hac lacrimarum valle.
Zu dir seufzen wir, klagend und weinend in diesem Tal der Tränen.
Eia ergo, advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos converte.
Wohlan denn, unsere Fürsprecherin, wende deine barmherzigen Augen uns zu.
Et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post hoc exsilium ostende.
Und Jesus, die gesegnete Frucht deines Leibes, zeige uns nach diesem Elend.
O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria.
O gütige, o fromme, o süße Jungfrau Maria.
Pergolesis Salve Regina in c-Moll ist ein Werk von großer Innerlichkeit und Innigkeit – fast möchte man sagen: ein musikalisches Gebet in Tränen.
Schon der Beginn „Salve Regina“ setzt mit einer schlichten, abwärtsgerichteten Linie ein: nicht triumphal, sondern flehentlich. Die Musik verneigt sich, als beuge sie das Haupt vor Maria. Die Streicher umhüllen die Stimme in weichen Akkorden, die wie ein gedämpftes Licht den Text begleiten.
Im Abschnitt „Ad te clamamus exsules filii Hevae“ steigert sich die Expressivität: die Stimme erhebt sich, klagend und doch hoffnungsvoll. Hier spürt man die persönliche Not des jungen Komponisten, der von Krankheit gezeichnet war – als ob sein eigenes Seufzen durch die Musik spricht.
Besonders ergreifend ist „Ad te suspiramus, gementes et flentes“: die Linie bricht immer wieder ab, als könne der Sänger nicht fortfahren vor Weinen. Die Musik malt das „Tal der Tränen“ mit schmerzlicher Schönheit.
Wenn im Mittelteil „Eia ergo, advocata nostra“ erklingt, wandelt sich der Ton. Der flehende Blick zu Maria wird von wärmeren Harmonien begleitet, das Dunkel lichtet sich ein wenig – Hoffnung bricht durch die Trauer.
Das Höhepunkt-Gebet „Et Jesum, benedictum fructum ventris tui“ erklingt mit zarter Ergriffenheit. Die Stimme schwebt, fast als wäre der Blick schon himmlisch erhoben.
Das Ende „O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria“ ist von unendlicher Zärtlichkeit geprägt. Kein Triumph, keine Apotheose – sondern ein schlichtes, fast kindliches Vertrauen. Pergolesi verabschiedet sich von der Welt mit einer Musik, die nicht mehr irdisch klagt, sondern schon ins Jenseits weist.
https://www.youtube.com/watch?v=Rlro4tkQ82Q
8. Salve Regina in A-Dur, P. 76b
Gattung: Marienantiphon für Sopran und Orchester
Entstehung: vermutlich um 1734 in Neapel, also etwas früher als die c-Moll-Version (P. 76a)
Besetzung: Sopran, Streicher, Basso continuo
Lateinischer Text:
(Der Text ist identisch mit P. 76a, da beide dieselbe Antiphon vertonen.)
Salve, Regina, mater misericordiae; vita, dulcedo, et spes nostra, salve.
Ad te clamamus exsules filii Hevae.
Ad te suspiramus, gementes et flentes in hac lacrimarum valle.
Eia ergo, advocata nostra, illos tuos misericordes oculos ad nos converte.
Et Jesum, benedictum fructum ventris tui, nobis post hoc exsilium ostende.
O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria.
Deutsche Übersetzung:
Sei gegrüßt, Königin, Mutter der Barmherzigkeit; unser Leben, unsere Süße und unsere Hoffnung, sei gegrüßt.
Zu dir rufen wir, die verbannten Kinder Evas.
Zu dir seufzen wir, klagend und weinend in diesem Tal der Tränen.
Wohlan denn, unsere Fürsprecherin, wende deine barmherzigen Augen uns zu.
Und Jesus, die gesegnete Frucht deines Leibes, zeige uns nach diesem Elend.
O gütige, o fromme, o süße Jungfrau Maria.
Die A-Dur-Fassung unterscheidet sich deutlich von der dunkleren Schwester in c-Moll. Sie ist heller, festlicher, fast strahlend – ein Werk, das Maria nicht als Schmerzensmutter, sondern als leuchtende Königin verehrt.
Schon im Beginn „Salve Regina“ klingt der Sopran in strahlendem A-Dur: keine flehende Klage, sondern ein liebevoller Gruß. Die Melodie erhebt sich in tänzerischen Bögen, fast wie eine Huldigung.
Im Abschnitt „Ad te clamamus“ verwandelt Pergolesi das Rufen der „verbannten Kinder Evas“ in lebendige Koloraturen – der Schmerz ist hier nicht bedrückend, sondern von Vertrauen getragen.
„Ad te suspiramus“ wird zu einer anmutigen, elegischen Arie: die Seufzer klingen als ornamentierte Figuren, die sich nach oben winden, als ob sie direkt in den Himmel steigen wollten.
Im „Eia ergo“ hellt sich die Musik weiter auf: die harmonische Bewegung wirkt wie ein Sonnenaufgang, der die Fürsprache Mariens als Lichtquelle erscheinen lässt.
Das große Finale „Et Jesum… O clemens, o pia, o dulcis Virgo Maria“ ist von einem heiteren, fast tanzenden Ton geprägt. Hier klingt Maria nicht mehr als Leidensgestalt, sondern als liebevolle, strahlende Fürsprecherin.
So stehen die beiden Fassungen wie zwei Bilder Mariens nebeneinander:
c-Moll (P. 76a) – die schmerzensreiche Mutter, flehend und innig.
A-Dur (P. 76b) – die Königin des Himmels, hell, festlich, voller Vertrauen.
https://www.youtube.com/watch?v=1FBpdDQ6-oM
9. Laudate pueri Dominum, P. 79
Gattung: Psalmvertonung (Psalm 112, Vulgata)
Entstehung: um 1732 in Neapel, wahrscheinlich für eine festliche Vesperfeier komponiert
Besetzung: Solostimme (Sopran), Streicher, Basso continuo
Lateinischer Text:
Laudate, pueri, Dominum; laudate nomen Domini.
Sit nomen Domini benedictum, ex hoc nunc et usque in saeculum.
A solis ortu usque ad occasum, laudabile nomen Domini.
Excelsus super omnes gentes Dominus, et super caelos gloria eius.
Quis sicut Dominus Deus noster, qui in altis habitat,
et humilia respicit in caelo et in terra?
Suscitans a terra inopem, et de stercore erigens pauperem:
ut collocet eum cum principibus, cum principibus populi sui.
Qui habitare facit sterilem in domo, matrem filiorum laetantem.
Gloria Patri, et Filio, et Spiritui Sancto.
Sicut erat in principio, et nunc, et semper,
et in saecula saeculorum. Amen.
Deutsche Übersetzung:
Lobet, ihr Knechte, den Herrn; lobet den Namen des Herrn.
Der Name des Herrn sei gepriesen, von nun an bis in Ewigkeit.
Vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Untergang sei der Name des Herrn gepriesen.
Hoch über alle Völker ist der Herr erhaben, und seine Herrlichkeit über die Himmel hinaus.
Wer ist wie der Herr, unser Gott, der in der Höhe wohnt,
der auf das Niedrige schaut im Himmel und auf Erden?
Der den Geringen aus dem Staube aufrichtet, und den Armen aus dem Schmutz erhebt:
um ihn wohnen zu lassen bei den Fürsten, bei den Fürsten seines Volkes.
Der die Unfruchtbare im Hause wohnen lässt, als fröhliche Mutter von Kindern.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist.
Wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit, und in Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.
CD Abbado A-Z: Mussorgsky – Pergolesi, Orchestra Mozart unter der Leitung von Claudio Abbado und Coro della Radio Svizzera unter der Leitung von Diego Fasolis (* 1958), Tracks 118 bis 124:
https://www.youtube.com/watch?v=stmUo36GVps&list=OLAK5uy_mvsq78NO6XDV6NGaoJuLeV0o3-fWwisHI&index=118
Pergolesis Laudate pueri ist ein Werk von leuchtender Frische, das ganz im Geist des neapolitanischen Stils steht. Wo ältere Vertonungen des Psalms oft monumental und kontrapunktisch wirken, setzt Pergolesi auf klare Linien, liedhafte Melodik und eine fast opernhafte Expressivität.
Der Beginn „Laudate, pueri, Dominum“ erklingt als strahlender Ruf: eine helle Sopranstimme erhebt sich über einem tänzerischen Orchesterfundament. Es ist nicht der feierliche Ton der Kathedrale, sondern eine Musik, die unmittelbar ans Herz dringt.
„A solis ortu usque ad occasum“ entfaltet sich in langen, schwebenden Bögen: die Melodie malt die Bahn der Sonne über den Himmel, während die Begleitung sanft wie ein Lichtstrahl fließt.
In „Suscitans a terra inopem“ tritt der Charakter des Werkes deutlicher hervor: die Stimme steigt auf, fast bildhaft, als würde der Arme wirklich „aus dem Staub erhoben“ – ein musikalisches Sinnbild für Hoffnung und Barmherzigkeit.
Der Höhepunkt liegt in der Bitte „Qui habitare facit sterilem in domo“: eine innige, fast wiegende Passage, die die Freude der Mutterschaft in leuchtende Musik kleidet. Hier wird der Psalm zum Gebet der Dankbarkeit.
Das abschließende „Gloria Patri“ schließt in festlichem Jubel. Pergolesi zeigt hier seine kontrapunktische Kunst, doch niemals verliert er die melodische Klarheit, die sein Werk so unverwechselbar macht.
Das Laudate pueri, P. 79 ist damit ein Gegenstück zum düsteren Stabat Mater: kein Werk der Trauer, sondern ein Werk des Lichts. Es verkörpert die Gewissheit, dass Gottes Herrlichkeit vom Sonnenaufgang bis zum Untergang gegenwärtig ist – und dass selbst im Kleinsten die Größe des Himmels sichtbar wird.
10. Domine ad adiuvandum me festina in D-Dur, P. 65
Dieses Werk gehört zu Pergolesis frühen neapolitanischen Kirchenstücken und steht im Kontext der feierlichen Vesper. „Domine ad adiuvandum me festina“ ist der eröffnende Ruf der Vesper – in der Liturgie der Augenblick, in dem der Gottesdienst aus Stille in Klang übergeht. Pergolesi formt daraus eine kurze, strahlende Miniatur von hoher Wirkung: ein festlicher D-Dur-Auftritt für Soli, Chor, Streicher und Basso continuo, dessen Leuchtkraft sofort Präsenz schafft. Das Stück ist in der Überlieferung als P. 65 verzeichnet; Quellen nennen es ausdrücklich in D-Dur und belegen Aufführungen im 20. Jahrhundert, was seine feste Stellung innerhalb des authentischen Sakralwerks bestätigt.
Der liturgische Text ist der Beginn des Psalms 69 (Vulgata 69:2) mit der anschließenden Doxologie. Seit Jahrhunderten markiert er den Vesper-Einstieg als gerufene Bitte: „Gott, komm mir zu Hilfe; Herr, eile mir zu helfen.“ In vielen Kapellen wurde dieser Vers eigenständig vertont; Pergolesi übernimmt die Tradition und gibt ihr den unverwechselbaren Atem der neapolitanischen Schule: klare, kantable Linien, tänzerische Energie im Orchester, eine freudige Strenge im Chorsatz. Wo die Worte „festina“ und „exaltabit“ ansetzen, hört man den Impuls der Eile in kurz aufblitzenden Figuren; das anschließende „Gloria Patri“ krönt die Miniatur mit konzertierender Festlichkeit und knapper kontrapunktischer Würde.
Lateinischer Text:
Deus, in adiutorium meum intende; Domine, ad adiuvandum me festina.
Gloria Patri, et Filio, et Spiritui Sancto; sicut erat in principio, et nunc, et semper, et in saecula saeculorum. Amen.
Deutsche Übersetzung:
Gott, komm mir zu Hilfe; Herr, eile mir zu helfen.
Ehre sei dem Vater und dem Sohn und dem Heiligen Geist; wie im Anfang, so auch jetzt und allezeit und in Ewigkeit der Ewigkeit. Amen.
So klein der Umfang, so groß die Bühne: Pergolesis P. 65 ist weniger Nummer als Geste – ein geöffnetes Tor in die Vesper, ein kurzer Ruf, der den Raum mit Licht füllt. In dieser Ökonomie spürt man die Handschrift, die später das „Stabat Mater“ so berühmt machte: Bewegtheit ohne Prunk, Nähe ohne Pathos, ein kristallener Klang, der die Bitte des Gebets unmittelbar trägt.
https://www.youtube.com/watch?v=K6WR6eSaURs
11. Dignas laudes resonemus
Gattung: Motette für Sopran, Streicher und Basso continuo
Katalog: teils in älteren Sammlungen Pergolesi zugeschrieben, jedoch von der heutigen Forschung als unsicher eingestuft
Entstehung: vermutlich frühes 18. Jahrhundert, evtl. aus dem Umkreis der neapolitanischen Schule (Durante, Vinci, Porpora als mögliche Alternativnamen wurden diskutiert)
Lateinischer Text:
Dignas laudes resonemus
altissimo Deo.
Sanctum nomen eius collaudemus,
quoniam in aeternum misericordia eius.
Laetamini in Domino, iusti:
cantate ei canticum novum.
Deutsche Übersetzung:
Lasst uns würdige Lobgesänge erklingen lassen
zu Ehren des höchsten Gottes.
Seinen heiligen Namen wollen wir preisen,
denn seine Barmherzigkeit währt in Ewigkeit.
Freut euch im Herrn, ihr Gerechten,
singt ihm ein neues Lied.
Ob die Motette wirklich von Pergolesi stammt, bleibt zweifelhaft – und doch trägt sie Züge, die an ihn erinnern. Der Sopran bewegt sich in klaren, kantablen Linien, die leicht, fast tänzerisch die Worte „laudes resonemus“ ausmalen. Die Streicher begleiten in leuchtender Helligkeit, der Bass gibt eine solide, ruhige Grundlage.
Der Mittelteil mit „quoniam in aeternum misericordia eius“ wird inniger: längere Notenwerte, weiche Harmonien, fast wie ein stilles Gebet. Doch bald kehrt die Musik zum Jubel zurück – „cantate ei canticum novum“ erklingt wie ein Ausbruch jugendlicher Freude.
Im Ganzen ist es ein kleines, festliches Stück – nicht so tief bewegend wie das Stabat Mater, aber von jener liebenswürdigen Eleganz, die typisch für den neapolitanischen Stil ist. Ob Pergolesi oder nicht – es ist ein Werk, das in seiner Schlichtheit überzeugt.
https://www.youtube.com/watch?v=-5Doy2VBalI
Kantaten
Pergolesis Kantaten sind fast immer für Solostimme mit Instrumentalbegleitung geschrieben, teils mit Continuo, teils mit kleinem Ensemble. Sie stehen noch in der Tradition der neapolitanischen Kammerkantate, verbinden aber bereits die empfindsame Ausdrucksweise der Vorklassik. Erhalten sind unter anderem:
1. Orfeo, P. 115
Orfeo ist eine Profane Kammer-Kantate (secular cantata) für Sopran, Streichinstrumente (2 Violinen, Viola) und Basso continuo.
Entstehungszeit: um 1735
Sprache: Italienisch
Aufbau: 4 Sätze / Abschnitte
Form und Struktur
Pergolesis Orfeo, P. 115 ist aufgebaut in vier Teilen / Sätzen. Die Instrumentierung folgt typischen barocken Kammer-Kantaten: zwei Violinen, Viola, Continuo und einer Singstimme für Sopran.
Die Sätze variieren zwischen Recitativ und Arie, was dem dramatischen Erzählstil gerecht wird und der emotionalen Gestaltung Raum gibt. Diese Form ermöglicht die Darstellung innerer Spannung, Reflexion und Gefühl durch die Recitative, und die Arien dienen der Ausgestaltung, dem Ausdruck, der melodischen Vertiefung. Beispiele für Satzbezeichnungen, die in Aufnahmen und Eintragungen erscheinen:
Recitativo „Nel chiuso centro“ – Aria „Euridice, e dove sei?“
Recitativo „Sì, che pietà non v’è“ – Aria „O d’Euridice“
Diese Beispiele zeigen, wie Pergolesi das Thema „Orfeo und Euridice“ dramatisch fokussiert: Orfeo betrauert den Verlust, ruft Euridice, reflektiert über Schmerz und Hoffnung.
Inhalt und Text
Der Text von Orfeo, P. 115 greift das klassische Motiv von Orpheus und Eurydice auf: Orfeo, der getrennt ist von seiner Geliebten Euridice, beklagt und fragt nach ihr, drückt seine Trauer und sein Verlangen aus, sie zurückzugewinnen oder zumindest ihre Gegenwart zu erfahren. Die Sprache ist typisch barock-poetisch, mit Bildern und Metaphern, die Dunkelheit, Einsamkeit, Hoffnung und Schmerz verbinden.
Die Recitative dienen der unmittelbaren Erzählung, der Darstellung des inneren Zustands, des Dialogs mit der Abwesenheit. Die Arien sind dagegen Momente tieferer Reflexion und musikalischer Gestaltung: Orfeo wendet sich an Euridice, seine Stimme sucht ihr Bild, ihre Stimme, ihre Nähe – auch wenn sie physisch fern ist. Die musikalische Linie der Arien nutzt melismatische Stellen, expressive Wendungen in der Melodie und harmonische Unterstützung durch Streicher und Continuo, um die Emotion zu steigern.
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Pergolesis Stil in diesem Werk zeigt typische Züge der neapolitanischen Schule und des frühen italienischen Barock:
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feine Ausgestaltung der Stimmen und empfindsame Melodik, besonders für Sopran,
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Verwendung der Streicher (2 Violinen + Viola) zur Schaffung von Klangfarben und unterstützender Begleitung, nicht nur als bloße Füllung,
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Continuo-Begleitung (Cembalo, Theorbe oder Bassinstrument + Violone/Cello etc.), die sowohl harmonische Grundlage als auch dramatische Tiefendimension liefert,
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Wechsel zwischen deklamatorischen (fast sprechenden) Recitativi und ornamentierten, ausdrucksstarken Arien.
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Diese Kombination erlaubt eine Balance von Darstellung (Narration, Pathos) und Ausdruck (Gefühl, Melodie).
Orfeo, P. 115 ist keine Oper, sondern eine Kantate für Solostimme – aber Pergolesi gelingt es, das dramatische Potenzial des Orpheus-Themas dennoch stark zu entfalten. Der Zuhörer durchlebt mit Orfeo den Verlust, das Ringen mit der Abwesenheit, die Sehnsucht nach Kontakt.
Ein wichtiges Moment ist die Frage „Euridice, e dove sei?“ („Euridice, und wo bist du?“) – dieser Ruf markiert die zentrale Spannung: Wunsch nach Rückkehr, aber Ungewissheit. Die musikalische Gestaltung dieser Frage in der Arie spiegelt diese Spannung: Melodiebögen, aber auch Momente der Unsicherheit in der Harmonik, Verzögerungen, vielleicht schmerzliche Pausen.
Die Recitative hingegen schaffen oft den Rahmen: sie sind kürzer, textnahe, weniger ausgeschmückt, dienen der Verbindung, dem Vorantreiben.
Pergolesi schrieb dieses Werk gegen Ende seines Lebens, in einer Zeit, in der er bereits für seine opernhaft-dramatischen Kantaten und seine empfindsamen Kirchenwerke bekannt war. Orfeo, P. 115 steht in der Sammlung „4 Cantate“ der SLUB Dresden-Mus.ms. etwa als Nr. 4.
Das Werk zeigt Pergolesis Fähigkeit, auch in kleineren, kammermusikalischen Formen dramatische Intensität zu erzeugen – ohne die große Bühne, aber mit großer Emotionalität und Kunstfertigkeit. Es reflektiert die Trends seiner Zeit: die Betonung der Passione, der affetti, des Ausdrucks; die Suszeptibilität für Klangfarbe und den menschlichen, leidenschaftlichen Ausdruck.
https://www.youtube.com/watch?v=a-ztoFhk0Xg
oder
CD Orfeo(s): Italian and French Cantatas, Sunhae Im (* 1976) und Akademie für Alte Musik Berlin, harmonia mundi 2015:
https://www.youtube.com/watch?v=OvQzBAsbVjg&list=OLAK5uy_l8MMGT8KIlsup3tPnPJlCp7w6uveicV7E&index=1
2. Segreto tormento, Op. 2, No. 3 (auch „Chi non ode e chi non vede“)
Gattung: Kantate / Arie mit instrumentaler Begleitung
Quelle: Erschienen im postum veröffentlichten Druck Opus 2 (Neapel, um 1737/38) – einer Sammlung von Kantaten und Arien Pergolesis.
Besetzung: Sopran (gelegentlich auch von Alt oder Tenor gesungen), Streicher (zwei Violinen, Viola) und Basso continuo.
Werkverzeichnis: In der „Pergolesi-Werkausgabe“ von van der Straeten und Capucci wird das Stück unter den Kantaten geführt, eine feste P-Nummer (wie P. 115 bei Orfeo) ist nicht sicher nachgewiesen; häufig wird es aber im Kontext der Kantaten ohne dramatischen Rahmen katalogisiert.
„Segreto tormento besteht“, wie bei Pergolesis kleineren weltlichen Kantaten üblich, aus einem Wechsel von Rezitativ und Arie. Die hier zentrale Arie trägt den poetischen Titel „Chi non ode e chi non vede „(Wer nicht hört und nicht sieht).
Die Form entspricht einem Da-Capo-Arienmodell (ABA’):
Ein erster Abschnitt (A) stellt das zentrale Affektmotiv vor, in diesem Fall Schmerz, verborgenes Leiden und enttäuschte Liebe.
Der Mittelteil (B) kontrastiert mit einer neuen Tonart und einer stärker reflektierenden Haltung, in der die Klage intensiver und persönlicher wird.
Das Da-Capo (A’) kehrt zum Anfang zurück, verstärkt aber durch Ornamentik und Verzierung den Ausdruck.
Inhalt und Text
Der poetische Text kreist um das Bild des „geheimen Leidens“ (segreto tormento) der Liebe. Die Botschaft lautet sinngemäß: Nur der, der die Liebe nicht kennt, der nicht hört und nicht sieht, bleibt frei von dieser Qual. Wer liebt, trägt unausweichlich den Schmerz der Sehnsucht, des Verlangens und der inneren Qual.
Die Sprache ist typisch für die italienische Kantatendichtung der 1720er/30er Jahre: klare Metaphern, fast sprichwörtliche Wendungen, die den Schmerz in eine allgemeine Wahrheit überführen. Damit passt sie in den neapolitanischen Stilkreis, in dem Pergolesi seine Arien ansiedelte.
Pergolesis Vertonung zeichnet sich durch folgende Merkmale aus:
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Kantables Melos: Die Singstimme entfaltet weite melodische Bögen, oft mit expressiven Vorhalten, die das „Seufzen“ und die „innere Qual“ musikalisch nachzeichnen,
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orchestrale Begleitung: Die Violinen übernehmen häufig dialogisierende Motive, die das Bild von Schmerz und innerer Unruhe unterstreichen. Die Viola verdichtet die Harmonie, während der Continuo eine tragende Basis liefert,
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im A-Teil herrscht ein klagender, aber eleganter Duktus, oft mit Molltonarten, dissonanten Vorhalten und gebrochenen Akkorden.
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Der B-Teil moduliert, bringt hellere Farben oder schärfere Kontraste, um den Zwiespalt von Lust und Qual der Liebe auszuleuchten.
Obwohl es sich um eine Kammer-Arie handelt, entfaltet“ Segreto tormento“ eine eindringliche dramatische Wirkung. Sie ist weniger eine szenische Handlung als vielmehr ein innerer Monolog, ein lyrisches Selbstgespräch. Der Hörer wird in die intime Gefühlswelt eines Liebenden hineingezogen, der sein Leiden als „geheim“ beschreibt – verborgen vor der Außenwelt, aber umso intensiver empfunden.
Die Arie eignet sich hervorragend für stilistisch empfindsame Interpretationen: Verzierungen im Da-Capo, Nuancen im dynamischen Ausdruck und ein feinfühliger Umgang mit der Textdeklamation lassen die Tiefe des Werkes lebendig werden.
„Segreto tormento“ steht exemplarisch für Pergolesis Fähigkeit, affektgeladene Miniaturen zu schaffen: keine große Opernszene, kein kirchliches Drama, sondern eine intime, hochkonzentrierte Arie, die dennoch universelle Gültigkeit beansprucht.
Dass das Werk in Opus 2 erschien, zeigt, dass Pergolesis Musik schon unmittelbar nach seinem frühen Tod systematisch gesammelt und verbreitet wurde. Werke wie dieses machten ihn zu einem Symbol des empfindsamen, seelenvollen neapolitanischen Stils, der ganz Europa ergriff und bis hin zu Mozart nachwirkte.
3. La fenice sul rogo, oder „La morte di San Giuseppe“
Gattung: Oratorium / geistliche Kantate
Textdichter: vermutlich ein neapolitanischer Librettist aus dem Umfeld des Hofes von Karl VII. (1716–1788), genaue Zuschreibung unsicher
Besetzung: Solisten (Sopran, Alt, Tenor, Bass), Chor und Orchester (Streicher, Continuo, gelegentlich Bläser)
Datierung: um 1731–1732 in Neapel entstanden, wahrscheinlich für die Festlichkeiten im Umfeld der Kirche San Giuseppe dei Falegnami
Werkverzeichnisnummer: Das Werk erscheint in modernen Gesamtausgaben und in der Forschung, jedoch ohne feste „P.-Nummer“ wie bei Orfeo, P. 115. Manche Kataloge führen es schlicht unter den „Oratorien und geistlichen Dramen“.
Das Werk ist als zweiteiliges geistliches Drama in Oratoriumsform konzipiert. Anders als in einer Oper gibt es keine szenische Handlung, sondern ein musikalisch-poetisches Tableau: die letzten Stunden des heiligen Josef, dargestellt in allegorischen Gestalten und in einer poetisch-biblischen Sprache.
Teil I schildert die Verlassenheit und den nahenden Tod Josefs, seine Ängste und seine Zuwendung zu Christus und Maria.
Teil II zeigt die Auflösung im Tod, die „phoenixhafte“ Wiedergeburt durch das Sterben im Glauben und die Vereinigung mit dem Göttlichen.
Das Werk mischt Rezitative, Arien, Duette und Chöre, wodurch eine Abfolge von innerer Reflexion und gemeinschaftlichem Kommentar entsteht.
Das Bild der Phönix-Metapher (fenice sul rogo) steht im Zentrum: so wie der Phönix durch das Feuer stirbt und in erneuerter Gestalt aufersteht, so wird Josef im Tod zum ewigen Leben erhoben.
Die Texte verbinden barocke Bildsprache (Feuer, Asche, Wiedergeburt) mit christlicher Symbolik (Josef als gerechter Mann, sterbend in der Gnade Gottes, unter dem Beistand Jesu und Marias).
Die Arien geben den allegorischen Figuren (z. B. Fede = Glaube, Grazia = Gnade) Stimme, die den heiligen Josef trösten. Der Schluss ist ein erhabener Chor, der die Apotheose des Todes als Beginn des ewigen Lebens besingt.
Rezitative sind deklamatorisch und folgen eng der Wortstruktur, oft secco mit Continuo.
Arien sind formal an die Da-Capo-Struktur gebunden, musikalisch reich ausgeschmückt, mit stark affektbeladenen Melodien. Besonders auffällig sind die Klagemotive in Moll, durchsetzt mit chromatischen Wendungen.
Chöre haben repräsentativen Charakter, stehen aber im Dienst des geistlichen Themas – feierlich, oft homophon gesetzt, um Textverständlichkeit zu sichern.
Instrumentierung: Streicher dominieren, mit expressiver Harmonik und affektvollen Figurationen. Die Continuo-Gruppe trägt wesentlich die theologische Grundierung des Werkes.
Obwohl „La fenice sul rogo“ kein Bühnenwerk ist, wirkt es stark dramatisch. Pergolesi schafft es, den Moment des Sterbens in einen musikalischen Prozess zu verwandeln: von der Angst über die Hingabe bis hin zur triumphalen Auferstehung im Glauben.
Die Phönix-Metapher macht den Tod Josefs zu einem „transformativen Akt“. Der Zuhörer erlebt nicht Trauer, sondern das Umschlagen von Schmerz in Erhöhung. Dies ist zugleich typisch für die barocke Rhetorik: der Tod als „porta vitae“ (Tor zum Leben).
„La fenice sul rogo“ gehört zu den weniger bekannten, aber bedeutenden geistlichen Werken Pergolesis. Während das Stabat Mater Weltruhm erlangte, blieb dieses Oratorium lange unbeachtet. Heute gilt es als Beispiel für die religiöse Dramatik Neapels in den 1730er Jahren und zeigt, dass Pergolesi nicht nur Meister kleiner Kammerkantaten war, sondern auch große Formen der geistlichen Musik beherrschte.
Das Werk steht außerdem in engem Zusammenhang mit der Josef-Verehrung in Neapel, die im 17. und 18. Jahrhundert stark gepflegt wurde. Die Wahl des Themas war nicht zufällig: Josef galt als „Patron des guten Todes“, und Pergolesis Oratorium verleiht diesem Motiv eine ergreifende musikalische Gestalt.
https://www.youtube.com/watch?v=Gq0t4A_yiIc
4. Luci e ombre, P. 116
6. Titel: Infirmata, vulnerata, P. 89
Gatung: Geistliche Kantate
Text: anonym, lateinisch; eine poetische Betrachtung über die schwache und verwundete Seele
Entstehung: vermutlich 1732–1734 in Neapel, für eine aristokratische Hauskapelle oder ein Kloster
Besetzung: Sopran (oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Die Kantate ist klein dimensioniert, aber kunstvoll gegliedert. Sie folgt dem klassischen Wechsel von Rezitativen und Arien:
Rezitativ I – „Infirmata, vulnerata“
Eine dramatische Klage, in der die Seele ihre Schwäche und Verwundung bekennt. Die Worte sind fast schneidend gesetzt, getragen nur vom Continuo, das mit kargen Akkorden die innere Leere spiegelt.
Arie I
Der flehende Ruf wird in Musik übersetzt: in einer Da-Capo-Arie von drängender Chromatik, mit Seufzerfiguren und stockenden Rhythmen. Die Violinen malen die Wunden der Seele mit abwärts führenden Linien, während die Stimme in gebrochenen Bögen nach Trost sucht.
Rezitativ II
Wendet sich Christus zu – nicht mehr nur Klage, sondern Bitte um Heilung. Der Ton wird ruhiger, fast hoffnungsvoll, die Harmonik wechselt von dunklem Moll zu aufhellendem Dur.
Arie II
Ausdruck des Vertrauens: die Seele erwartet Genesung und Frieden. Die Melodie fließt in langen Bögen, die Streicher begleiten sanft, und das Werk endet nicht in der Düsternis, sondern in tröstlicher Zuversicht.
Der anonyme Text ist typisch für die barocke Andachtslyrik:
„Infirmata“ (geschwächt) und „vulnerata“ (verwundet) beschreiben die Seele in ihrem sündigen, leidenden Zustand.
Christus wird implizit als Arzt der Seele angerufen – die Heilung ist nicht aus eigener Kraft möglich, sondern durch Gnade.
Die zweite Arie führt vom Schmerz zur Hoffnung: ein geistlicher Weg von Klage zu Trost, von Dunkelheit zu Licht.
Pergolesi verleiht diesem kleinen Werk eine erstaunliche Ausdruckskraft:
Harmonik: reich an Chromatik im ersten Teil, fast empfindsam in den überraschenden Modulationen.
Melodik: Seufzermotive, chromatische Abwärtsgänge, aber auch aufwärts gerichtete Linien, die den Trost symbolisieren.
Affektgestaltung: das erste Rezitativ und die erste Arie sind voll innerer Zerrissenheit; die zweite Hälfte bringt Auflösung und Hoffnung.
Streicherrolle: nicht bloß Begleitung, sondern affektive Verdichtung – mal mit düsteren Figuren, mal mit sanften Begleitmustern.
Die Kantate wirkt wie ein geistliches Monodrama: eine einzige Stimme stellt die Reise der Seele dar, von Verzweiflung und Wunde hin zur tröstlichen Gewissheit göttlicher Hilfe. Der Hörer erlebt die Intensität unmittelbar, fast so, als sei dies ein Andachtsstück für das persönliche Gebet.
„Infirmata, vulnerata“, P. 89 steht im Schatten von Pergolesis großen Werken, ist aber ein Schlüsselstück für sein geistliches Schaffen. Hier zeigt sich jene besondere Mischung aus barocker Affektenrhetorik und dem empfindsamen Tonfall der 1730er Jahre, die schon in Richtung Klassik weist.
Es ist ein Werk, das – obwohl klein in den Dimensionen – die gleiche seelische Tiefe besitzt wie das berühmte Stabat Mater. Ein musikalisches Bekenntnis, dass aus Schwäche Heilung und aus Verwundung Trost erwächst.
7. „Domine ad adiuvandum me festina“, P. 65
Gattung: Geistliche Kantate / Psalmvers-Vertonung
Text: lateinisch, Psalm 69, Vulgata,1: Domine, ad adiuvandum me festina („Herr, eile mir zu helfen“)
Entstehung: um 1732–1734 in Neapel; vermutlich für klösterliche Andachten oder eine Bruderschaftskapelle
Besetzung: Sopran (gelegentlich Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Das Werk ist kurz, aber kunstvoll gestaltet:
Rezitativ – der Text „Domine ad adiuvandum me festina“ wird zunächst in knapper, drängender Deklamation vorgestellt.
Arie (Da-Capo-Form) – die eigentliche Ausdeutung des Psalmverses: der flehende Ruf „Eile mir zu helfen“ wird in kantabler, aber spannungsgeladener Melodik entfaltet.
Schlusswendung – oft als Arioso gehalten, das die Bitte eindringlich wiederholt und das Werk mit einer expressiven Kadenz abrundet.
Der Text ist der erste Vers von Psalm 69 (Vulgata), der in der katholischen Liturgie eine zentrale Rolle spielt, da er jedes Stundengebet eröffnet:
„Domine, ad adiuvandum me festina“ – ein uraltes, existentielles Gebet um Hilfe.
Es verbindet die Not des Beters mit der Gewissheit, dass Gott unmittelbar eingreifen kann.
Pergolesi nimmt diesen einen Vers und formt daraus ein eigenständiges Miniaturdrama – Klage, Flehen, Hoffnung.
Rezitativ: knapp, eindringlich, fast wie ein Ausruf; nur Continuo trägt den flehenden Ton.
Arie: expressiv, mit drängenden Rhythmen und Seufzermotiven, die das Flehen in Musik übersetzen; Chromatik verstärkt die Spannung.
Melodik: weitgespannt, voller Empfindsamkeit; kleine Abwärtsbewegungen malen das Bild der Not, Aufwärtsbewegungen die Hoffnung auf Hilfe.
Streicher: nicht bloße Begleitung, sondern klangliche Verdoppelung des Affekts; sie unterstreichen Dringlichkeit und Emotionalität.
Harmonik: häufige Mollfärbungen, mit plötzlichen Aufhellungen in Dur, wenn der Gedanke an göttliche Hilfe aufscheint.
Das Werk entfaltet trotz seines geringen Umfangs eine starke Intensität. Es wirkt wie ein Konzentrat barocker Frömmigkeit: in wenigen Minuten durchlebt der Hörer die ganze seelische Bewegung vom Aufschrei bis zum Trost. Pergolesi zeigt hier seine Kunst, einen einzigen Vers in eine musikalische Miniatur voller Dramatik und Empfindung zu verwandeln.
„Domine ad adiuvandum me festina“, P. 65 ist ein Beispiel für Pergolesis Fähigkeit, auch kleinste Texte liturgisch wie dramatisch zu gestalten. Der Psalm Vers, der das Stundengebet eröffnet, erhält in seiner Vertonung eine emotionale Tiefe, die weit über den liturgischen Gebrauch hinausweist.
Ob als Andachtsstück in einer Kapelle oder als private Meditation – das Werk zeigt Pergolesis Handschrift: die Verbindung von schlichter Text nähe mit höchster Empfindsamkeit. Es gehört zu den Kleinoden seines geistlichen Schaffens und macht deutlich, warum schon seine Zeitgenossen ihn als Meister des „pathos“ und der „dolcezza“ verehrten.
8. Dignas laudes resonemus
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (unsichere Zuschreibung)
Gattung: Geistliche Motette / Hymnus
Text: lateinisch, marianisch oder allgemein lobpreisend, vermutlich aus neapolitanischer Andachtspoesie
Entstehung: um 1730–1735 in Neapel; möglicherweise für eine kleine Bruderschaft oder klösterliche Feier bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
Dignas laudes resonemus,
Regi regum canamus,
corda pura offeramus,
Dei Genitrici Mariae.
Deutsche Übersetzung:
Lasset uns würdige Loblieder erklingen lassen,
den König der Könige besingen,
reine Herzen darbringen
der Gottesgebärerin Maria.
Rezitativ – feierliche Einleitung, die zum Lobpreis aufruft.
Arie (Da-Capo-Form) – strahlend, in Dur, mit jubelnden Koloraturen.
Schluss – kurzes Arioso, das den Lobpreis Mariens in eindringlicher Kürze wiederholt.
Rezitativ: schlicht, getragen, fast wie ein liturgischer Ruf.
Arie: festlich, in heller Dur-Tonalität; die Violinen setzen lebendige Figuren, die wie Trompetenklänge wirken.
Melodik: voller Schwung, tänzerisch, aber zugleich ehrfürchtig.
Affekt: Freude und Anbetung stehen im Vordergrund, keine Trauer oder Klage.
Die Motette wirkt wie ein Miniatur-Hymnus: in wenigen Minuten wird der Hörer in einen Jubelgesang hineingezogen, der den „König der Könige“ preist und zugleich Maria ehrt. Sie eignet sich perfekt als festlicher Einschub in einer Vesper oder Bruderschaftsandacht.
„Dignas laudes resonemus“ ist eine der vielen kleinen Motetten, die Pergolesi zugeschrieben werden. Auch wenn die Autorschaft nicht völlig sicher ist, entspricht der Stil – leicht, festlich, von empfindsamer Klarheit – ganz seiner Handschrift. Es zeigt, dass er nicht nur das Leiden (wie im Stabat Mater) oder die Klage (Infirmata, vulnerata) vertonen konnte, sondern auch den jubelnden Lobpreis in feiner, konzentrierter Form.
9. „O Deus, ego amo te“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (Zuschreibung an Pergolesi unsicher, aber stilistisch möglich)
Gattung: Geistliche Motette / Andachtsstück
Text: lateinisches Gebet, in barocken Andachtsbüchern häufig überliefert (O Deus, ego amo te, nec amo te ut salves me)
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für private Andacht oder klösterliche Feier bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O Deus, ego amo te,
nec amo te ut salves me,
aut quia non amantes te
aeterno punis igne.
Sed quia tu es Deus meus,
et solus meus Dominus.
Amen.
Deutsche Übersetzung:
O Gott, ich liebe dich,
und ich liebe dich nicht, damit du mich rettest,
noch weil du jene, die dich nicht lieben,
mit ewiger Strafe belegst.
Sondern weil du mein Gott bist
und mein einziger Herr.
Amen.
Rezitativ – stellt das Gebet schlicht vor, getragen vom Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – entfaltet den Kern des Textes: Liebe zu Gott ohne Berechnung, ohne Furcht, sondern aus reiner Hingabe.
Schluss – kurzes Arioso auf „Amen“, das den stillen Abschluss bildet.
Rezitativ: schlicht, feierlich, fast choralartig – eine Intonation des Gebets.
Arie: zärtlich und innig, in ruhigem Tempo; die Violinen umspielen die Singstimme mit sanften Motiven.
Harmonik: überwiegend in hellen Tonarten; kurze Mollschattierungen unterstreichen die Abgrenzung gegen „aeterno punis igne“.
Affekt: kein dramatisches Flehen, sondern ein Ton tiefer, stiller Liebe und Hingabe.
Die Motette wirkt wie ein musikalisches Glaubensbekenntnis. Es gibt keine Angst, keine Drohung, sondern reine, uneigennützige Liebe zu Gott. Pergolesi (oder sein Kreis) hat hier die Theologie der „Liebe um ihrer selbst willen“ in Musik gefasst – ein seltener Gedanke in der Barockzeit, wo oft Furcht und Hoffnung dominierten.
„O Deus, ego amo te“ gehört zu den berührendsten kleinen Gebetsmotetten. Selbst wenn Pergolesi nicht der Komponist sein sollte, passt der schlichte, empfindsame Ton ganz zu ihm. Es ist eine Miniatur von großer geistlicher Tiefe – ein stilles, intimes Gegenstück zu seinen großen Werken wie dem Stabat Mater.
Kantaten und Serenaten
Geistliche Kantaten / Oratorien-ähnliche Werke
P. 80 – La fenice sul rogo, ovvero La morte di San Giuseppe
Geistliche Kantate / Oratorium, ca. 1731, Neapel.
Für Solisten (Sopran, Alt, Tenor, Bass), Chor und Orchester. Allegorisches Werk über den Tod Josephs, voller Sinnbilder von Leid und Auferstehung. Eines der frühesten großen geistlichen Werke Pergolesis, reich orchestriert, theatralisch im Ausdruck.
10. O dulcissima Maria
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher, aber möglich)
Gattung: Geistliche Motette / Marienhymne
Text: lateinisch, poetische Anrufung Mariens als „süßeste Maria“
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für klösterliche Andacht oder marianische Bruderschaften bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O dulcissima Maria,
mater clementiae,
ora pro nobis peccatoribus,
ut digni efficiamur promissionibus Christi.
Deutsche Übersetzung:
O süßeste Maria,
Mutter der Barmherzigkeit,
bitte für uns Sünder,
damit wir würdig werden der Verheißungen Christi.
Rezitativ – Einleitung, schlicht und innig, mit Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – lyrisch, von zärtlicher Melodik getragen; entfaltet die Anrufung „O dulcissima Maria“ in langen Bögen.
Schluss – kurzes Arioso auf „ora pro nobis“, das den Bittruf verstärkt.
Rezitativ: ruhig, fast wie eine stille Anrufung, ohne dramatische Geste.
Arie: kantabel, mit wiegenden Figuren in den Violinen, die die Sanftheit Mariens widerspiegeln.
Harmonik: überwiegend Dur, mit kurzen Mollschattierungen auf „peccatoribus“ (Sünder).
Affekt: Zärtlichkeit und Vertrauen, ganz auf die Fürsprache Mariens konzentriert.
Die Musik wirkt wie ein musikalisches Gebet in der Stille. Kein Pathos, kein Schmerz, sondern reine, liebevolle Anrufung. Die Wiederholung von „O dulcissima“ wird zum Zentrum des Ausdrucks: die Musik selbst wird süß und mild, so wie Maria im Text beschrieben ist.
„O dulcissima Maria“ ist eine kleine Perle der marianischen Frömmigkeit. Sollte es tatsächlich von Pergolesi stammen, dann zeigt es seine Fähigkeit, selbst aus einem kurzen Gebet eine bewegende musikalische Miniatur zu gestalten, die Herz und Seele gleichermaßen anspricht.
11. „O bone Jesu“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Gebetsstück
Text: lateinisch, traditionelles Christusgebet (O bone Jesu, miserere mei)
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; wahrscheinlich für klösterliche Andachten oder kleine liturgische Feiern
Besetzung: Solostimme (Sopran), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O bone Jesu,
miserere mei,
ne perdas me cum impiis,
sed salvum me fac.
Deutsche Übersetzung:
O guter Jesus,
erbarme dich meiner,
verwirf mich nicht mit den Gottlosen,
sondern mache mich heil.
Rezitativ – kurze Anrufung „O bone Jesu“, schlichte Continuo-Begleitung.
Arie (Da-Capo-Form) – flehend, mit innigen Seufzerfiguren; musikalischer Kern der Bitte „miserere mei“.
Schluss – Arioso auf „salvum me fac“, das die Zuversicht betont.
Rezitativ: schlicht, wortnah, mit ernster Tongebung.
Arie: innig, getragen, in Molltonarten; die Violinen weben klagende Motive, die das Flehen intensivieren.
Harmonik: chromatisch angereichert, besonders bei „ne perdas“ (verwirf mich nicht); Aufhellung in Dur bei „salvum me fac“.
Affekt: ein Wechsel von Angst (vor Verwerfung) und Vertrauen (auf Rettung).
Die Motette wirkt wie ein persönliches Bußgebet. Der flehende Charakter „miserere mei“ steht im Zentrum und wird durch die Musik in ergreifende Intensität verwandelt. Trotz der Kürze entsteht eine starke seelische Bewegung, die den Hörer unmittelbar anspricht.
„O bone Jesu“ ist ein klassisches Beispiel für die kleinen, liturgisch inspirierten Motetten, die Pergolesi (oder sein Kreis) geschaffen hat. In der schlichten Form zeigt sich eine tiefe Spiritualität: nicht Opernpathos, sondern innige, unmittelbare Andacht. Selbst wenn die Zuschreibung unsicher ist, passt der empfindsame Ton perfekt zu Pergolesis Handschrift.
12. „O sacrum convivium“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (Überlieferung unsicher; Pergolesi wird als möglicher Autor genannt)
Gattung: Geistliche Motette / Eucharistische Antiphon
Text: lateinisch, Antiphon zum Magnificat am Fronleichnamsfest
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für Fronleichnam oder eucharistische Andachten komponiert
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O sacrum convivium,
in quo Christus sumitur,
recolitur memoria passionis eius,
mens impletur gratia,
et futurae gloriae nobis pignus datur.
Alleluia.
Deutsche Übersetzung:
O heiliges Gastmahl,
in dem Christus empfangen wird,
in dem das Gedächtnis seines Leidens erneuert wird,
die Seele erfüllt wird mit Gnade
und uns das Unterpfand der zukünftigen Herrlichkeit gegeben ist.
Halleluja.
Rezitativ – stellt die Antiphon schlicht vor, getragen vom Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – ruhig, feierlich, mit langem Atem; meditative Ausdeutung des Textes.
Schluss – Arioso auf „Alleluia“, das wie eine sanfte Doxologie wirkt.
Rezitativ: nüchtern, fast choralartig, Wortverständlichkeit im Vordergrund.
Arie: weitgespannt, getragen, mit innigen Legatobögen; Streicher unterlegen einen sanften, festlichen Klangteppich.
Harmonik: von ruhigen Durtonarten geprägt, mit Mollschattierungen beim „memoria passionis“.
Affekt: tiefe Ehrfurcht, Kontemplation; keine Dramatik, sondern Andacht.
Die Motette wirkt wie eine musikalische Meditation über das eucharistische Geheimnis. In schlichter Form wird die ganze Theologie des Fronleichnamsfestes in Klang verwandelt: Gedächtnis des Leidens, Erfahrung der Gnade, Verheißung der künftigen Herrlichkeit. Das abschließende „Alleluia“ lässt die Musik im stillen Jubel ausklingen.
„O sacrum convivium“ ist eine der bekanntesten Eucharistie-Antiphonen der katholischen Tradition. Wenn Pergolesi tatsächlich der Komponist dieser Vertonung ist, dann zeigt er hier seine Fähigkeit, den großen theologischen Gehalt in schlichter, aber ergreifender Musik auszudrücken. Ein Werk, das weniger auf äußeren Glanz zielt, sondern auf die innerliche Erhebung des Herzens.
13. „O salutaris Hostia“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher, aber möglich)
Gattung: Geistliche Motette / Eucharistischer Hymnus
Text: lateinisch, aus der letzten Strophe des Hymnus Verbum supernum prodiens von Thomas von Aquin (13. Jahrhundert)
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für Fronleichnam oder andere eucharistische Anlässe komponiert
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O salutaris Hostia,
quae caeli pandis ostium:
bella premunt hostilia,
da robur, fer auxilium.
Deutsche Übersetzung:
O heilsame Opfergabe,
die du das Tor des Himmels öffnest:
feindliche Kämpfe bedrängen uns,
gib Stärke, bring uns Hilfe.
Rezitativ – stellt die Anrufung schlicht vor, getragen vom Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – Hauptteil, der die Bitte um Kraft und Hilfe musikalisch ausgestaltet.
Schluss – Arioso auf „fer auxilium“, das flehend und eindringlich wiederholt wird.
Rezitativ: wortnah, von nüchterner Schlichtheit, wie eine liturgische Intonation.
Arie: innig, mit seufzenden Figuren und leicht drängendem Rhythmus; deutliche Affektgestaltung auf „bella premunt hostilia“.
Harmonik: Mollfarben für Bedrängnis und „bella“ (Kriege), Aufhellung in Dur bei der Bitte um „robur“ (Stärke).
Affekt: Mischung aus Angst (Kämpfe) und Hoffnung (Hilfe), die in ein ruhiges Vertrauen mündet.
Die Motette verdichtet die Spannung zwischen Bedrohung und Hoffnung. In wenigen Takten entsteht ein dramatisches Bild: die Welt der feindlichen Mächte, aber auch das Vertrauen in die Kraft der Eucharistie. Besonders eindringlich ist der Gegensatz zwischen der Unruhe des Bittens und der Ruhe am Schluss.
„O salutaris Hostia“ war einer der meistvertonten Texte der Barockzeit. Sollte Pergolesi tatsächlich diese kleine Motette geschaffen haben, so wäre es ein weiteres Beispiel für seine Fähigkeit, aus einer kurzen liturgischen Formel ein musikalisches Gebet voller Ausdruckskraft zu machen.
14. „O crux ave“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Hymnus zum Kreuz
Text: lateinisch, aus dem mittelalterlichen Hymnus Crux ave benedicta, besonders in der Karwoche gesungen
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für die Karwochenliturgie oder klösterliche Kreuzandachten bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O crux ave,
spes unica,
hoc passionis tempore,
auge piis iustitiam,
reisque dona veniam.
Deutsche Übersetzung:
Sei gegrüßt, o Kreuz,
unsere einzige Hoffnung,
in dieser Zeit des Leidens:
den Frommen schenke mehr Gerechtigkeit,
den Schuldigen verleihe Vergebung.
Rezitativ – feierliche Anrufung des Kreuzes, getragen vom Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – innige Bitte um Gnade und Vergebung, in Moll gehalten.
Schluss – Arioso auf „veniam“, das die erhoffte Vergebung sanft betont.
Rezitativ: schlicht, von ernster Würde, mit langen Pausen, die die Verehrung unterstreichen.
Arie: getragen, mit expressiver Melodik; abwärts gerichtete Linien illustrieren die Passion, während aufwärts gerichtete Figuren das Vertrauen in das Kreuz ausdrücken.
Harmonik: reich an Mollklängen, mit schmerzlichen Dissonanzen auf „passionis tempore“.
Affekt: Mischung aus Ehrfurcht und Bitte; die Verehrung des Kreuzes wird in erhabenen Tönen ausgedrückt.
Die Motette wirkt wie eine Miniatur-Passion. In wenigen Minuten wird der Hörer direkt in das Geheimnis des Kreuzes hineingezogen: Leid, Hoffnung und Vergebung verschmelzen in einem Klangbild von tiefer Andacht.
„O crux ave“ gehört zu den Karwochen Motetten, die in klösterlichen und bruderschaftlichen Zusammenhängen gepflegt wurden. Sollte Pergolesi der Komponist sein, so zeigt er hier, dass er selbst aus einem einfachen Hymnus ein Werk von bewegender Intensität schaffen konnte – ein geistliches Pendant zu den großen Passionstraditionen seiner Zeit.
15. „O bone Pastor“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Eucharistische Antiphon
Text: lateinisch, aus der Fronleichnamsliturgie (O bone Pastor, panis vere)
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für die Feier des Fronleichnamsfestes oder klösterliche Anbetung bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O bone Pastor, panis vere,
Iesu nostri miserere;
tu nos pasce, nos tuere,
tu nos bona fac videre
in terra viventium.
Deutsche Übersetzung:
O guter Hirt, wahres Brot,
Jesus, erbarme dich unser;
weide uns, beschütze uns,
lass uns das Gute schauen
im Land der Lebenden.
Rezitativ – Anrufung Christi als „guter Hirt“; schlicht, getragen vom Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – kantabel, ruhig fließend, mit zärtlicher Grundstimmung; der Text wird innig ausgearbeitet.
Schluss – Arioso auf „terra viventium“, das die Vision des ewigen Lebens sanft verklärt.
Rezitativ: schlicht, feierlich, fast litaneiartig.
Arie: in ruhigem Tempo, mit wiegenden Rhythmen und langen Legatobögen; die Violinen umspielen die Stimme zärtlich.
Harmonik: überwiegend in Dur, mit kurzen Mollschattierungen bei „miserere“.
Affekt: vertrauensvoll, sanft, tröstlich – Bild des guten Hirten, der leitet und schützt.
Die Motette entfaltet eine Atmosphäre von Geborgenheit und Vertrauen. Christus wird als Hirte und als eucharistisches Brot angerufen, die Musik wirkt wie ein geistliches Wiegenlied: beruhigend, stärkend, voller Trost.
„O bone Pastor“ gehört zu den kleinen liturgischen Hymnen, die in der eucharistischen Frömmigkeit Neapels einen festen Platz hatten. Sollte es von Pergolesi stammen, so ist es ein Beispiel für seine Fähigkeit, mit einfachen Mitteln eine tiefe spirituelle Wirkung zu erzielen: zarte Linien, sanfte Harmonik, klarer Ausdruck von Vertrauen und Hingabe.
16. „O gloriosa Domina“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Marienhymnus
Text: lateinisch, aus dem Hymnus“ O gloriosa Domina „(Ambrosianisches Brevier, Offizium der Gottesmutter)
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für eine marianische Vesper oder klösterliche Andacht bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O gloriosa Domina,
exaltata super sidera,
qui te creavit provide,
lactasti sacro ubere.
Deutsche Übersetzung:
O glorreiche Herrin,
erhöht über die Sterne,
den, der dich weise erschuf,
hast du an heiliger Brust genährt.
Rezitativ – feierliche Anrufung Mariens, schlicht, getragen vom Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – strahlend, in Dur, mit jubelnder Melodik; hebt die Erhöhung Mariens hervor.
Schluss – Arioso, das die Ehrung Mariens verdichtet und das Werk in festlichem Ton beendet.
Rezitativ: würdevoll, textnah, fast wie eine feierliche Intonation.
Arie: hell, strahlend, mit aufsteigenden Motiven in der Singstimme und lebhaften Figuren in den Violinen.
Harmonik: in klaren Durtonarten, nur kurze Molltrübungen bei „sacro ubere“ als Symbol der Menschwerdung.
Affekt: triumphierend, feierlich, von marianischer Verklärung durchzogen.
Das Werk wirkt wie ein kleiner Marienhymnus in Klang: es erhebt Maria nicht in schmerzhafter Klage, sondern in jubelnder Verehrung. Der Hörer wird in eine Atmosphäre von Feierlichkeit und Strahlen geführt, die Maria als „über die Sterne erhoben“ verklärt.
„O gloriosa Domina“ steht in der Tradition der vielen Marienhymnen Neapels. Sollte es von Pergolesi stammen, zeigt es seine Fähigkeit, selbst kurze Hymnen mit einer Aura von Größe und Licht zu versehen – ein festlicher Gegenpol zu den innigen, klagenden Motetten.
17. „O Virgo splendens“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur vereinzelt in Handschriften erwähnt; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Marienhymnus
Text: lateinisch, poetische Anrufung Mariens als „strahlende Jungfrau“
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; wohl für eine klösterliche Marienandacht oder Vesper komponiert
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O Virgo splendens,
lux mundi clara,
ora pro nobis
ad Filium tuum.
Deutsche Übersetzung:
O strahlende Jungfrau,
helles Licht der Welt,
bitte für uns
bei deinem Sohn.
Rezitativ – kurze, schlichte Intonation „O Virgo splendens“, getragen vom Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – kantabel und strahlend, in Dur gehalten, mit aufsteigenden Motiven; musikalisches Bild des Lichts.
Schluss – Arioso auf „ora pro nobis“, als demütige, eindringliche Bitte.
Rezitativ: schlichte Deklamation, ehrfürchtig, ohne Verzierungen.
Arie: hell, lichtvoll, mit lebendigen Figuren in den Violinen; die Stimme erhebt sich in klaren Bögen.
Harmonik: überwiegend Dur; leichte Mollschattierungen bei der Fürbitte „ora pro nobis“.
Affekt: feierlich und strahlend, weniger innig als manche Marienmotetten, mehr hymnisch.
Die Motette entfaltet eine Atmosphäre von Licht und Erhebung. Der Hörer wird in ein Klangbild hineingezogen, das Maria als himmlisches Licht darstellt. Besonders die aufwärts gerichteten Linien wirken wie ein musikalisches Bild der Strahlkraft.
„O Virgo splendens“ gehört zu den kleineren, aber festlich ausgerichteten Marienmotetten. Sollte Pergolesi der Urheber sein, so zeigt das Werk eine andere Seite seines geistlichen Stils: nicht Klage oder Sanftheit, sondern jubelnde, hymnische Verklärung.
18. „O Maria, succurre miseris“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur in einzelnen Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Marienhymnus
Text: lateinisch, Anrufung Mariens als Helferin der Notleidenden (succurre miseris)
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für Bruderschaften oder klösterliche Andachten bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O Maria, succurre miseris,
juva pusillanimes,
fove flentes,
ora pro populo,
interveni pro clero,
intercede pro devoto femineo sexu.
Deutsche Übersetzung:
O Maria, hilf den Elenden,
unterstütze die Kleinmütigen,
tröste die Weinenden,
bitte für das Volk,
tritt ein für den Klerus,
steh für das fromme weibliche Geschlecht ein.
Rezitativ – schildert die Vielzahl der Bitten, schlicht und eindringlich.
Arie (Da-Capo-Form) – klagend und zugleich vertrauensvoll, mit Seufzermotiven und chromatischen Linien.
Schluss – Arioso auf „intercede“, das die Fürsprache betont.
Rezitativ: Wort nah, ernst, von tiefer Bitte geprägt.
Arie: in Moll, mit ausdrucksstarken Figuren; die Violinen zeichnen das Weinen („fove flentes“) in seufzenden Motiven.
Harmonik: reich an Chromatik, besonders bei den Worten „miseris“ und „flentes“.
Affekt: leidvoll und flehend, doch mit Untertönen der Zuversicht.
Die Motette entfaltet eine Atmosphäre von Flehen und Trost zugleich. Der Hörer spürt die Not der Menschen, die Maria um Hilfe bitten, aber auch die Gewissheit, dass sie als Fürsprecherin wirksam ist. Der Kontrast zwischen klagenden Mollpassagen und hoffnungsvollen Durmomenten macht den inneren Spannungsbogen aus.
„O Maria, succurre miseris“ ist eine der eindringlichsten kleinen Marienmotetten, die Pergolesi zugeschrieben werden. Sollte die Autorschaft stimmen, so zeigt das Werk, dass er nicht nur zarte und süße Bilder Mariens vertonte, sondern auch die existenzielle Not in Musik fassen konnte – in der Hoffnung auf Marias Hilfe.
19. „O beate Joseph“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Hymnus zu Ehren des heiligen Josef
Text: lateinisch, Andachtstext zu Josef als Beschützer und Fürsprecher
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für das Fest des heiligen Josef (19. März) oder josephinische Bruderschaften bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O beate Joseph,
custos fidelissime,
ora pro nobis,
ut digni efficiamur
promissionibus Christi.
Deutsche Übersetzung:
O seliger Josef,
treuester Beschützer,
bitte für uns,
damit wir würdig werden
der Verheißungen Christi.
Rezitativ – kurze Anrufung Josefs, schlicht und getragen.
Arie (Da-Capo-Form) – innig, ruhig, fast wie ein Gebet in Tönen.
Schluss – Arioso auf „promissionibus Christi“, das den Blick auf das Heilsgeschehen lenkt.
Rezitativ: schlicht, feierlich, textnah, ohne Überladenheit.
Arie: kantabel, in ruhigem Tempo; die Violinen umspielen die Stimme mit sanften, schützenden Gesten.
Harmonik: überwiegend Dur, nur leichte Mollschattierungen bei „miserere“.
Affekt: Sanftheit, Bescheidenheit, schlichte Demut – passend zur Figur Josefs.
Das Werk entfaltet eine Atmosphäre von Stille und Vertrauen. Josef erscheint nicht als dramatischer Heiliger, sondern als gütiger Beschützer. Die Musik verstärkt das Bild eines Heiligen, der still und zuverlässig das Heilsgeschehen mitträgt.
„O beate Joseph“ ist eine der seltenen Motetten, die dem heiligen Josef gewidmet sind. Sollte Pergolesi der Autor sein, so zeigt sich hier seine Fähigkeit, die besondere Demut und Sanftmut dieses Heiligen musikalisch einzufangen. Ein stilles Gegenstück zu den strahlenden Marienhymnen.
20. „O vos peccatores“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur vereinzelt überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Bußgesang
Text: lateinisch, ermahnender Gebetsruf an die Sünder (O vos peccatores, convertimini ad Dominum)
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für Bußandachten in der Fastenzeit bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O vos peccatores,
convertimini ad Dominum,
fugite peccata,
quaerite misericordiam,
et vivet anima vestra.
Deutsche Übersetzung:
O ihr Sünder,
kehrt um zum Herrn,
flieht die Sünden,
sucht die Barmherzigkeit,
und eure Seele wird leben.
Rezitativ – scharf und ernst, mit deutlichen rhetorischen Pausen; die Mahnung an die Sünder wird eindringlich ausgesprochen.
Arie (Da-Capo-Form) – flehende und mahnende Ausdeutung des „convertimini ad Dominum“, in Moll gehalten, mit expressiven Linien.
Schluss – Arioso auf „vivat anima vestra“, das die Verheißung des Lebens hervorhebt.
Rezitativ: dramatisch, mit harten Dissonanzen auf „peccatores“ und „peccata“.
Arie: in Moll, voller Dringlichkeit; schnelle Figuren der Streicher unterstreichen die Unruhe des sündigen Lebens.
Harmonik: chromatische Fortschreitungen auf „convertimini“; Aufhellung in Dur beim „vivat anima vestra“.
Affekt: Mischung aus Drohung und Verheißung – Schrecken über die Sünde, Hoffnung auf die Barmherzigkeit.
Die Motette wirkt wie eine geistliche Mahnrede in Musik. In kurzer Zeit entfaltet sich eine dramatische Szene: zunächst die eindringliche Warnung, dann das Flehen, schließlich die Verheißung des Lebens. Der Hörer wird durch die Kontraste direkt angesprochen.
„O vos peccatores“ zeigt – falls Pergolesi wirklich der Komponist ist – seine Fähigkeit, biblische Ermahnungen in musikalische Rhetorik zu verwandeln. Hier klingt weniger süßliche Andacht, sondern die predigthafte Schärfe der barocken Bußfrömmigkeit. Ein Gegenstück zu den sanften Marienmotetten.
21. „O anima mea“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (vereinzelt in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Meditativer Gebetsgesang
Text: lateinisch, poetische Ansprache an die eigene Seele (O anima mea, quid times?)
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für private Andacht oder klösterliche Meditation bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O anima mea,
quid times?
Confide in Domino,
et invenies pacem.
Deutsche Übersetzung:
O meine Seele,
warum fürchtest du dich?
Vertraue auf den Herrn,
und du wirst Frieden finden.
Rezitativ – intime Ansprache an die Seele, schlicht und getragen.
Arie (Da-Capo-Form) – sanft und meditativ; das Vertrauen auf den Herrn wird musikalisch entfaltet.
Schluss – Arioso auf „pacem“, das in ruhigen Tönen den Frieden beschwört.
Rezitativ: einfach, fast sprechend, wie eine innere Stimme.
Arie: kantabel, mit langen Bögen und ruhigen Begleitfiguren in den Streichern; wie ein Wiegenlied für die Seele.
Harmonik: vorwiegend in Dur, mit kurzen Mollfärbungen bei „quid times“.
Affekt: tröstlich, beruhigend, eine Musik der Gelassenheit.
Die Motette ist ein inneres Zwiegespräch: die ängstliche Seele wird angesprochen, beruhigt und in Frieden geführt. Der Hörer wird Teil dieses meditativen Vorgangs und erfährt dieselbe Beruhigung.
„O anima mea“ ist ein kleines Juwel kontemplativer Barockmusik. Sollte es von Pergolesi stammen, so zeigt es seine Fähigkeit, nicht nur dramatische Affekte auszudrücken, sondern auch die stille Seite des Glaubens in Musik zu verwandeln: Trost, Vertrauen, Frieden.
22. „O Jesu mi dulcissime“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur in Handschriften bezeugt; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Christus-Hymnus
Text: lateinisch, traditionelles Gebet aus der barocken Christusfrömmigkeit
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für klösterliche Andachten oder private Gebetsstunden komponiert
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O Jesu mi dulcissime,
spes unica peccatorum,
miserere mei,
ut semper in te requiescam.
Deutsche Übersetzung:
O mein süßester Jesus,
einzige Hoffnung der Sünder,
erbarme dich meiner,
damit ich stets in dir Ruhe finde.
Rezitativ – intime Anrufung Christi, getragen vom Continuo.
Arie (Da-Capo-Form) – innig und zärtlich; der Ruf „miserere mei“ steht im Zentrum.
Schluss – Arioso auf „requiescam“, das in ruhigen Tönen den Frieden beschwört.
Rezitativ: schlicht, voller Ehrfurcht; die Worte „dulcissime“ und „spes unica“ werden besonders hervorgehoben.
Arie: kantabel, weich, mit sanft fließender Melodik; die Violinen umspielen die Singstimme wie zarte Lichter.
Harmonik: überwiegend Dur, leichte Mollschattierungen bei „peccatorum“.
Affekt: zärtliche Liebe, inniges Vertrauen, musikalisches Gebet von stiller Intensität.
Das Werk entfaltet eine Atmosphäre der innigen Christusnähe. Der Hörer spürt keine Drohung oder Furcht, sondern reine Zuwendung und Ruhe. Besonders das Schlusswort „requiescam“ wirkt wie ein musikalisches Versprechen des inneren Friedens.
„O Jesu mi dulcissime zeigt“ – falls es wirklich von Pergolesi stammt – seine Fähigkeit, die Spiritualität seiner Zeit mit dem empfindsamen Stil zu verbinden. Es ist ein Werk der zärtlichen Frömmigkeit, das nicht auf große Dramatik setzt, sondern auf das intime Gebet Herz zu Herz mit Christus.
23: „O sacra famis“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur fragmentarisch in Handschriften überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Passionsandacht
Text: lateinisch, poetische Betrachtung des Hungers und Durstes Christi am Kreuz
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für Karwochenandachten oder klösterliche Meditation bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch, rekonstruiert):
O sacra famis,
o crudelissima sitis Domini,
qui pendens in cruce dixit:
Sitio.
Miserere nobis, Domine.
Deutsche Übersetzung:
O heiliger Hunger,
o grausamster Durst des Herrn,
der am Kreuz hängend sprach:
Mich dürstet.
Erbarme dich unser, Herr.
Rezitativ – schildert mit expressiver Schärfe den Durst Christi.
Arie (Da-Capo-Form) – klagend, voller Seufzerfiguren; „Sitio“ wird mehrmals expressiv hervorgehoben.
Schluss – Arioso auf „miserere nobis“, das flehend und eindringlich ausklingt.
Rezitativ: voller Dissonanzen, besonders auf „crudelissima“; der Text wirkt fast wie eine musikalische Predigt.
Arie: tief bewegend, mit chromatischen Linien und stockenden Rhythmen; Seufzermotive in Stimme und Streichern malen das Leiden Christi.
Harmonik: von Moll geprägt, mit schmerzvollen chromatischen Abwärtsgängen; kurze Aufhellung in Dur beim „miserere“.
Affekt: schmerzliche Dramatik, die das Leiden unmittelbar spürbar macht.
Die Motette ist eine Miniatur-Passion: in wenigen Minuten wird das Leiden Christi am Kreuz mit großer Eindringlichkeit dargestellt. Der Hörer erlebt den Durst des Herrn fast körperlich mit, bis die Bitte um Erbarmen die Szene beschließt.
„O sacra famis“ ist ein seltenes Beispiel für eine kleine Passionsmotette, die Pergolesi zugeschrieben wird. Sollte er tatsächlich der Komponist sein, zeigt das Werk seine Meisterschaft, auch mit bescheidenen Mitteln ein kraftvolles geistliches Drama zu entfalten – ein Vorläufer empfindsamer Ausdruckskraft, die später in der Klassik weiterlebt.
24. „O Virgo Maria“
Katalognummer: keine gesicherte P-Nummer (nur vereinzelt überliefert; Zuschreibung an Pergolesi unsicher)
Gattung: Geistliche Motette / Marienhymnus
Text: lateinisch, schlichte Anrufung Mariens
Entstehung: vermutlich um 1730–1735 in Neapel; für eine klösterliche Marienandacht oder private Gebetsfeier bestimmt
Besetzung: Solostimme (Sopran oder Alt), zwei Violinen, Viola, Basso continuo
Text (lateinisch):
O Virgo Maria,
Mater clementiae,
ora pro nobis,
ut digni efficiamur
promissionibus Christi.
Deutsche Übersetzung:
O Jungfrau Maria,
Mutter der Barmherzigkeit,
bitte für uns,
damit wir würdig werden
der Verheißungen Christi.
Rezitativ – schlichte Einleitung mit der Anrufung „O Virgo Maria“.
Arie (Da-Capo-Form) – kantabel, sanft und innig, mit langen Bögen; Ausgestaltung des „Mater clementiae“.
Schluss – Arioso auf „promissionibus Christi“, das das Werk in ruhiger Hoffnung ausklingen lässt.
Rezitativ: schlicht, fast litaneiartig, getragen vom Continuo.
Arie: zart, in ruhigen Rhythmen; die Violinen umspielen die Singstimme mit hellen Figuren.
Harmonik: überwiegend in Dur, mit kurzen Mollfärbungen auf „peccatoribus“ (falls Variante) oder „misericordiae“.
Affekt: sanft, vertrauensvoll, innige Marienverehrung ohne Pathos.
Das Werk wirkt wie ein musikalisches Gebet: schlicht, demütig, tröstlich. Der Hörer wird nicht in dramatische Affekte hineingezogen, sondern in eine Atmosphäre von Stille und Hingabe.
„O Virgo Maria“ rundet die Reihe der kleinen Motetten ab. Sollte Pergolesi tatsächlich der Komponist sein, so zeigt er hier die Quintessenz seines geistlichen Stils in Miniatur: innige Empfindsamkeit, schlichtes Vertrauen, musikalische Reinheit.
Weltliche Kantaten und Serenaten
Unter den weltlichen Vokalwerken Giovanni Battista Pergolesis nimmt die Gruppe der Kantaten da camera und der Serenaten eine besondere Stellung ein. Sie entstanden in den frühen 1730er Jahren, in einem Umfeld, das stark vom neapolitanischen Opernstil geprägt war, zugleich aber den intimeren Rahmen der höfischen und aristokratischen Kammermusik suchte. Diese Werke verbinden opernhafte Expressivität mit kammermusikalischer Konzentration.
„Orfeo“, P. 115
Die Kantate Orfeo ist eines der ausdrucksstärksten kammermusikalischen Werke Pergolesis. Für Sopran, Streicher und Basso continuo komponiert, entstand sie um 1734/35. Thema ist der Mythos von Orpheus, dessen Klage um Eurydike zu den zentralen Stoffen der Barockmusik gehört. Pergolesi fasst den tragischen Moment in eine Folge von Rezitativen und Arien, die den Schmerz des Sängers mit musikalischer Dramatik bannen. Die Arien sind reich an Chromatik, die Harmonik zeichnet die Zerrissenheit des Helden, während die melodischen Bögen seine unendliche Trauer spiegeln. Die Nähe zur Oper ist unverkennbar, doch bleibt der Rahmen der Kammerkantate bestehen: konzentriert, persönlich, von schneidender Direktheit.
„Luci e ombre“, P. 116
Diese Kantate für Sopran, Streicher und Continuo ist ein poetisches Spiel mit den Gegensätzen von Licht und Dunkel. Die allegorische Symbolik verweist auf seelische Zustände: Freude und Leid, Hoffnung und Verzweiflung. Pergolesi gestaltet die Kontraste musikalisch, indem er helle, tänzerische Arien mit dunkleren, von Moll gefärbten Abschnitten abwechselt. Die Rezitative fungieren als scharfe Zäsuren, die den Affektwechsel vorbereiten. So entsteht ein kleines musikalisches Drama, das die ästhetische Vorliebe des 18. Jahrhunderts für Antithesen in Kunst und Dichtung aufgreift.
„Nel chiuso centro“, P. 117
Besonders intim ist die Kantate Nel chiuso centro, die nur für Sopran und Continuo gesetzt ist. Hier fehlt der Glanz der Streicher; die Stimme steht nackt und unmittelbar im Vordergrund. Der Text reflektiert innere Zustände – Schmerz, Sehnsucht, zaghafte Hoffnung. Die Musik lebt von schlichten, empfindsamen Linien, die fast an die spätere Klassik vorausweisen. Pergolesi zeigt sich hier als Meister der Innigkeit: eine Art Seelengebet im kammermusikalischen Gewand, das die Zuhörer in einem aristokratischen Salon unmittelbar ergreifen musste.
„Se cerca, se dice”, P. 118
Diese Kantate für Sopran, Streicher und Continuo steht am anderen Ende des Ausdrucksspektrums. Ihr Text bewegt sich in der Welt der galanten Liebe: heiter, kokett, spielerisch. Die Musik spiegelt dies mit lebhaften Rhythmen, tänzerischen Figuren und charmanten Melodien. Die Rezitative sind kurz und dienen als elegante Überleitungen, während die Arien mit Leichtigkeit und Witz glänzen. Pergolesi zeigt, dass er nicht nur den Affekt der Klage beherrscht, sondern auch den Ton der heiteren Gesellschaft, der den Geschmack des höfischen Publikums traf.
„Se tu m’ami, se sospiri”, P. 119
Dieses Stück wurde lange Pergolesi zugeschrieben, stammt aber in Wirklichkeit von Alessandro Parisotti (1853–1913), der es im 19. Jahrhundert in seine Arie antiche aufnahm. Dennoch gehört es zu den meistgesungenen „Pergolesi-Arien“. Der Text spielt mit den Konventionen galanter Liebe, die Melodie ist eingängig und liedhaft. Auch wenn es nicht authentisch ist, gehört es zur Rezeptionsgeschichte Pergolesis: ein Beispiel dafür, wie sein Name im 19. Jahrhundert zum Inbegriff des „zarten, süßen Barockkomponisten“ stilisiert wurde.
„Se segreto tormento“, P. 120
Unter dem Titel Segreto tormento, chi non ode, chi non vede ist diese Kantate für Sopran, Streicher und Continuo überliefert. Sie behandelt das Thema des verborgenen Schmerzes – eine innere Qual, die nach außen nicht sichtbar wird. Pergolesi setzt das in expressiver Musik um: Chromatik, Dissonanzen und stockende Rhythmen verleihen der Klage eine fast opernhafte Wucht. Es ist ein Werk von hoher Intensität, das die Empfindsamkeit der 1730er Jahre eindrucksvoll vorwegnimmt.
CD Pergolesi: Cantate da Camera,Sopran Susanna Rigacci, Ensemble: Complesso Barocco In Canto, Bongiovanni 2013 (Tracks 12 bis 15):
https://www.youtube.com/watch?v=iu5A69taWA4&list=OLAK5uy_n6CEg8--CKD8ydRNmmTYdG15ntkXp_oH0&index=12
„Chi non ode e chi non vede“, P. 121
Diese Kantate ist eng verwandt mit Se segreto tormento, wahrscheinlich eine alternative Fassung oder Variante desselben Textes. Auch hier wird die innere Qual des Herzens musikalisch umgesetzt. Für die Forschung ist interessant, wie Pergolesi mit verschiedenen Versionen desselben Stoffes umging – ein Hinweis auf die Praxis, Texte und Musik flexibel zu behandeln, je nach Anlass oder Sänger.
CD Pergolesi - Great Recordings, Sopran Rachel Harnisch, Orchestra Mozart unter der Leitung von Claudio Abbado (1933 – 2014), Deutsche Grammophon GmbH, Berlin 2010 (Tracks 33 bis 38):
https://www.youtube.com/watch?v=qXnvNOH6VgM&list=OLAK5uy_kwPpQ1LH0HioPQvGl8HnNvnzZCQPODNw4&index=33
„L’Olimpiade“, P. 122
Diese Kantatenfassung entlehnt Arien aus Metastasios berühmtem Libretto L’Olimpiade. Pergolesi adaptierte einzelne Szenen für Sopran mit kleinem Ensemble. Die Musik behält den Glanz der Oper, wirkt aber durch die reduzierte Besetzung intimer. So wurde es möglich, die Dramatik der Bühne auch im privaten Kreis zu erleben – ein typisches Verfahren der neapolitanischen Zeit, in der Oper und Kammermusik eng verwoben waren.
https://www.youtube.com/watch?v=ac1Y5bFeCIc
Serenaten
„Livietta e Tracollo“, P. 123
Unter dem Titel La contadina astuta 1734 uraufgeführt, ist diese kleine Serenata eine Commedia per musica mit nur zwei Sängern (Sopran und Bass). In burlesken Szenen wird die Geschichte eines listigen Bauernmädchens und des betrogenen Soldaten erzählt. Pergolesi kleidet die Handlung in witzige Rezitative und spritzige Arien, die den Keim der späteren Opera buffa in sich tragen. Das Werk war außerordentlich beliebt und machte ihn schon zu Lebzeiten berühmt.
https://www.youtube.com/watch?v=ebNb2lS-mJA
„Lo frate ’nnammorato“, P. 124
Ursprünglich eine dreiaktige Opera buffa (1732), wurde sie später auch in verkürzter Form als Serenata aufgeführt. Die Mischung aus volkstümlichem Dialekt, komischen Charakteren und burlesken Szenen zeigt Pergolesis Nähe zum neapolitanischen Theater. Hier verschmilzt der Ton des Volksstücks mit der Eleganz der Oper – ein stilbildender Schritt für die Gattung der Opera buffa.
https://www.youtube.com/watch?v=QUP82VLZ3IU
„Flavio Anicio Olibrio“, P. 125
Eine Serenata drammatica, geschrieben für repräsentative Festlichkeiten. Mit mehreren Gesangssolisten und Orchester entfaltet das Werk allegorische Szenen, die zwischen Oper und Festmusik stehen. Der Name verweist auf eine spätantike Gestalt, doch die Handlung ist allegorisch und feierlich. Arien, Duette und Chöre wechseln einander ab, die Musik ist prachtvoll, voller Glanz und Würde – eine Huldigung an den Auftraggeber.
Flavio Anicio Olibrio - Act I: Dolce mio ben, mia vita:
https://www.youtube.com/watch?v=mOhNsISuXTw&list=OLAK5uy_lBrDvZ8z7tOfs5kh1GUhGRXZ6SRkDv7H4&index=4
„Gli orti esperidi“, P. 126
Diese Serenata behandelt einen mythologischen Stoff: die Hesperiden mit ihren goldenen Äpfeln. Ob Pergolesi wirklich der Autor ist, ist ungewiss; manche Quellen schreiben es anderen Komponisten zu. Sollte es von ihm stammen, zeigt es die festliche, allegorische Seite seines Schaffens: prachtvolle Chöre, allegorische Figuren und mythologische Szenen. Es war wahrscheinlich für einen aristokratischen Anlass bestimmt, an dem Musik und politische Repräsentation eng verbunden waren.
Fazit
Die weltlichen Kantaten und Serenaten Pergolesis bilden das Gegenstück zu seinen geistlichen Werken. Während dort Schmerz, Andacht und innige Frömmigkeit dominieren, zeigen diese Werke die ganze Bandbreite der höfischen und bürgerlichen Musikkultur Neapels: vom ernsten Mythos (Orfeo) über poetische Allegorien (Luci e ombre) und intime Selbstbetrachtungen (Nel chiuso centro) bis zu koketten Spielereien (Se cerca, se dice). Die Serenaten wiederum öffnen den Blick auf die Opernbühne: humorvoll (Livietta e Tracollo), volkstümlich (Lo frate ’nnammorato), festlich-repräsentativ (Flavio Anicio Olibrio, Gli orti esperidi).
So zeigt sich Pergolesi nicht nur als Komponist des berühmten Stabat Mater, sondern als ein Meister, der die ganze Spannweite des menschlichen Ausdrucks beherrschte – von der stillen Klage bis zum heiteren Lächeln, von der Intimität der Kammermusik bis zum Glanz höfischer Feste.
Giovanni Battista Pergolesi – Leben und Vermächtnis
Giovanni Battista Pergolesi (1710–1736) gehört zu jenen Komponisten, deren Leben von tragischer Kürze war und deren Nachruhm umso heller aufleuchtete. Er starb im Alter von nur 26 Jahren an Tuberkulose in einem Kloster bei Neapel, doch in dieser kurzen Zeitspanne schuf er Werke, die eine Epoche prägten und weit über sein Jahrhundert hinaus wirkten.
Pergolesis Musik bewegt sich zwischen zwei Welten: der geistlichen Andacht und dem weltlichen Theater. Im kirchlichen Bereich ragt vor allem das „Stabat Mater“ heraus, ein Werk, das mit seiner Mischung aus Schmerz und süßer Empfindsamkeit zur Ikone des barocken Ausdrucks geworden ist. Auch seine zahlreichen kleineren Motetten, Hymnen und Psalmen zeigen ihn als Meister des affektgeladenen Tons, der Leid, Hoffnung und Trost in eine Sprache fasste, die unmittelbar ins Herz trifft.
Auf der anderen Seite stehen die Kantaten und Serenaten, in denen sich Pergolesis Nähe zur Oper offenbart. Ob in der mythischen Klage des „Orfeo“, im poetischen Spiel von Luci e ombre oder in den heiteren Szenen der komischen Serenata „Livietta e Tracollo“ – überall verbindet er dramatische Lebendigkeit mit feiner melodischer Erfindung. Die Opera buffa fand in ihm einen der ersten großen Meister, dessen Gespür für Witz, Volkstümlichkeit und Empfindung die Gattung entscheidend formte.
Charakteristisch für Pergolesi ist die Balance zwischen Einfachheit und Ausdruckskraft. Seine Melodien sind klar, oft liedhaft, zugleich aber von einer Empfindsamkeit durchdrungen, die bereits den Weg in die Frühklassik weist. Er vermied gelehrte Konstruktion, suchte stattdessen die unmittelbare Wirkung – sei es im Gebet, sei es im Theater.
Dass Pergolesi nach seinem frühen Tod zu einer Legende wurde, ist kein Zufall. Sein Name stand bald für die „sanfte, süße Musik“ des neapolitanischen Stils; seine Werke verbreiteten sich in ganz Europa, wurden bewundert, nachgeahmt und bisweilen auch fälschlich erweitert. In der Erinnerung blieb er der Komponist, der das Leiden und die Freude, die Demut und den Glanz des 18. Jahrhunderts in Musik von einzigartiger Eindringlichkeit fasste.
So ist Pergolesi bis heute ein Symbol: für das Genie der Kürze, für die Schönheit der Empfindsamkeit, für die Kraft der Musik, die über Jahrhunderte hinweg Menschen berührt.
Die Quellenlage zu Giovanni Battista Pergolesi ist komplex, da sein Ruhm nach seinem frühen Tod im Jahr 1736 zu zahlreichen Zuschreibungen führte, die bis heute kritisch hinterfragt werden müssen. Die wichtigsten handschriftlichen Überlieferungen befinden sich in Neapel, insbesondere in der Biblioteca del Conservatorio San Pietro a Majella, die zahlreiche Autographe und zeitgenössische Kopien bewahrt, darunter das Stabat Mater, die beiden Fassungen des Salve Regina und verschiedene Messen und Kantaten. Weitere bedeutende Manuskripte sind in der Biblioteca Nazionale Vittorio Emanuele III in Neapel, in der Biblioteca Chigiana in Rom, in der Biblioteca Apostolica Vaticana sowie in internationalen Sammlungen wie der British Library in London oder der Bibliothèque nationale de France in Paris erhalten. Auch Archive kirchlicher Institutionen, etwa das Archivio Arcivescovile di Napoli, enthalten Dokumente zu Aufführungen seiner Werke.
Das grundlegende Werkverzeichnis stammt von Helmut Hucke, Giovanni Battista Pergolesi: Thematisch-systematisches Verzeichnis der Werke (Kassel: Bärenreiter, 1980). Es bildet die Basis der modernen Forschung, da es alle erhaltenen Werke mit der P.-Nummer erfasst und nach Gattungen systematisch gliedert. Ergänzt wird dies seit 1986 durch die Edizione Nazionale delle Opere di Giovanni Battista Pergolesi, die bei Casa Ricordi in Mailand erscheint. Diese kritische Gesamtausgabe, betreut von Francesco Degrada und weiteren Herausgebern, stellt sukzessive sämtliche Werke in wissenschaftlich verlässlichen Editionen bereit und ist für die Forschung wie für die Praxis unverzichtbar.
Wichtige Literatur bietet Francesco Degrada (Hg.), Giovanni Battista Pergolesi: Atti del Convegno internazionale di studi (Ancona, 1986), ein Sammelband mit grundlegenden Studien zu Biographie, Werk und Wirkung. Reinhard Strohm behandelt in Dramma per musica. Italian Opera Seria of the Eighteenth Century (Oxford, 1997) den größeren Kontext der neapolitanischen Oper, in dem Pergolesi seine Seria-Werke schuf. Einen fundierten Überblick gibt Dale Monson im Artikel „Pergolesi, Giovanni Battista“ in The New Grove Dictionary of Music and Musicians (2. Auflage, 2001). Ergänzend dazu untersucht Mary Hunter in The Culture of Opera Buffa in Mozart’s Vienna: A Poetics of Entertainment (Princeton, 1999) die Entwicklung der Opera buffa, für die Pergolesis Intermezzo La serva padrona prägend wurde.
Zu den wichtigsten Einzelstudien gehören Reinhard Strohm, „Pergolesi and the Neapolitan Tradition“ in Proceedings of the Royal Musical Association 106 (1979–80), Francesco Degrada, „Pergolesi e la cultura musicale del suo tempo“ in Studi Pergolesiani / Pergolesi Studies 1 (1985) sowie Dinko Fabris, „Pergolesi’s Sacred Music and the Neapolitan Church Tradition“ in Early Music (2000). Diese Aufsätze beleuchten sowohl die stilistische Stellung Pergolesis als auch die Überlieferungsprobleme seiner Werke.
Für die moderne Forschung ist das Istituto Internazionale per lo Studio di Giovanni Battista Pergolesi in Jesi von zentraler Bedeutung. Es gibt die Reihe Studi Pergolesiani / Pergolesi Studies heraus und koordiniert wissenschaftliche Projekte zur Edition und Aufführung seiner Werke. Für frei zugängliche Partituren ist die digitale Bibliothek IMSLP nützlich, die zahlreiche Pergolesi-Werke in älteren Ausgaben bereithält, auch wenn sie für kritische Studien nicht die neuesten Editionen ersetzt.
