O salutaris hostia (anonym, Folio 131v–133r)
Lateinischer Text:
O salutaris hostia
quae caeli pandis ostium
bella premunt hostilia
da robur fer auxilium
Deutsche Übersetzung:
O heilbringendes Opfer
das du die Pforten des Himmels öffnest
feindliche Kriege bedrängen uns
gib Kraft bring Hilfe
Am Ende des Codex, dort, wo das Pergament vom Atem der Jahrhunderte und dem Streiflicht der Sonne gezeichnet ist, steht eine letzte Bitte: O salutaris hostia.
Nicht mehr in prunkvoller Vielstimmigkeit ausgebreitet, sondern schlicht, gesammelt, wie ein Gebet, das sich nicht an die Menge, sondern an den Einen richtet.
Hier schweigt die festliche Repräsentation, und die Musik wird zu einer geistigen Geste:
„O heilbringendes Opfer, das du die Pforten des Himmels öffnest – gib Kraft, bring Hilfe.“
Es ist, als ob die Stimmen, die zuvor Herrscher, Heilige und die Gottesmutter priesen, nun alle zu einer einzigen Bitte zusammenfließen.
Die Seite atmet eine andere Zeit: keine Feier, sondern Erwartung, kein Triumph, sondern Hingabe.
Man spürt in der Stille zwischen den Noten ein fernes, nicht endendes Echo – wie das Verhallen eines Chorals im Gewölbe einer unsichtbaren Kathedrale.
So endet der Codex nicht in einem Schlussstrich, sondern in einer Schwelle:
ein Übergang vom klingenden Lob in das unaussprechliche Schweigen vor Gott.
Das letzte Pergament ist weniger Schluss als Öffnung – ein Tor, das in den Raum jenseits der Zeit führt, dort, wo der Hymnus nicht verstummt, sondern ewig fortbesteht.
